Der Seelenhändler
Gnaden für die Einkäufe gibt, die ich hin und wieder tätigen muss … drunten im Ort … wenn Markttag ist.“ Lisas Stimme war heiser vor Aufregung, sie hielt kurz inne.
„Und?“, fragte der Graf. „Das Geld wurde also gestohlen?“
„Nein, nein, edler Herr, das ist es ja … nur die Gürteltasche. Der Beutel mit dem Geld nicht. Obwohl er ganz obenauf lag und prall gefüllt war. Aber das Schloss ist nun kaputt. Und überhaupt, wer kann so etwas tun? Ich meine … wer bricht des Nachts ein und stiehlt? Man muss ja geradezu Angst bekommen.“
„Was das Schloss angeht, mach dir keine Sorgen“, winkte der Graf ungeduldig ab. „Du wirst ein neues an deine Truhe bekommen. Sag mir lieber, von welcher Gürteltasche du sprichst.“
„Nun, edler Herr, die Gürteltasche, die Herr Wolf mir gab. Die, die er gefunden hat. Ich bewahrte sie in der Truhe auf, um sie ihrem Besitzer zurückgeben zu können, wenn er sich melden würde. Ihr erinnert Euch Herr, nicht wahr?“, wandte sich die Magd an Wolf.
„Ja, ja, natürlich“, bestätigte er. „Und du bist sicher, dass nur die Gürteltasche entwendet wurde?“, hakte er nach.
„Aber ja doch, Herr von der Klause. Ganz sicher. Ich werde doch den Inhalt meiner Truhe kennen“, bestätigte Lisa fast entrüstet.
Wolf bemerkte den fragenden Blick des Saurauers und klärte ihn kurz auf.
Der Graf runzelte die Stirn. „Ihr habt die Tasche doch sicher geöffnet. Was enthielt sie?“
„Nichts Außergewöhnliches. Einen Siegelring aus Bronze von geringem Wert, mit einem mir unbekannten Motiv, außerdem zwei Silberpfennige, Feuerzeug und ein Stück Pergament, auf dem irgendeine kurze Notiz stand“, antwortete Wolf. „Wann hast du den Diebstahl bemerkt?“, wandte er sich an Lisa.
„Gerade erst vorhin, Herr Wolf. Ich wollte ein wollenes Tuch aus der Truhe holen, weil es draußen so kühl ist.“
„Hast du schon mit jemand anderem darüber gesprochen?“
„Über den Diebstahl? Nein, Herr von der Klause, ich bin gleich hierher geeilt.“
„Wer wusste, dass du die verlorene Tasche in Verwahrung hieltest?“
Lisa zögerte. „Eigentlich niemand, Herr.“
„Das heißt, du hast niemandem gegenüber verlauten lassen, dass eine Gürteltasche gefunden wurde, die der Verlierer bei dir abholen kann?“
„Nein, Herr. Warum sollte ich? Wenn irgendjemand von unseren Leuten hier auf der Burg etwas vermisst oder verliert, kommt er ohnehin zu mir. Weil jedermann weiß, dass ich solche Dinge, wenn sie gefunden werden, in Verwahrung nehme und sie in meiner Truhe aufbewahre. So lange, bis der Eigentümer sich meldet.“
Wolf merkte auf. „Habe ich dich richtig verstanden? Jedem hier auf der Burg ist bekannt, dass du verlorene Gegenstände in deiner Truhe aufbewahrst?“
„Ja, Herr, das denke ich doch.“
„Ich will mir die Truhe ansehen. Sorge dafür, dass bis dahin niemand die Kammer betritt“, befahl Wolf.
„Ja, Herr“, meinte Lisa wieder; sie schluckte.
Ungeduldig meldete sich der Graf zu Wort. „Nun, was soll’s. Ich denke, wir haben anderes zu tun, als uns um eine verlorene Gürteltasche zu sorgen“, sagte er unwirsch. Er wandte sich an die Obermagd. „Sag dem Schmied, er soll sich um ein neues Schloss für deine Truhe kümmern. Ansonsten halte Ohren und Augen auf. Wenn du etwas Verdächtiges bemerkst, komm damit zu mir. – Und nun geh.“
„Jawohl, edler Herr. Danke, edler Herr.“ Lisa knickste und verließ den Raum.
„Kann ich noch etwas tun, edler Herr?“, fragte Rupert dienstbeflissen.
„Nein, es ist gut, Rupert. Auch du kannst gehen.“
Geräuschlos verschwand der Diener.
Wolf war inzwischen ans Fenster getreten. Nachdenklich sah er hinaus. Immer noch fiel der Regen in dichten Schnüren und bildete in der Ferne einen grauen Schleier.
„Es scheint, als ob Ihr dieser wertlosen Gürteltasche größere Bedeutung zumesst? Gibt es einen Grund dafür?“, fragte der Saurauer leicht säuerlich und trat an die Seite Wolfs.
„In Eurer Frage liegt bereits der Grund. Wer, der auf Geld oder sonst etwas Wertvolles aus ist, würde bewusst eine Truhe aufbrechen, um eine wertlose Gürteltasche zu klauen? Die außer einem minderwertigen Siegelring und einem Fetzen Pergament gerade einmal ein paar Pfennige enthält? Und dabei den Beutel mit Geld, der daneben liegt, ignorieren? Doch wohl niemand. Das lässt nur einen Schluss zu: Dem, der die Tasche stahl, lag gar nicht daran, Geld oder wertvollen Schmuck oder sonst etwas Kostbares in seinen Besitz zu
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