Der Seelenhändler
Blick hatte dem Bauern genügt, um den vorbeistürmenden Mönch sofort wiederzuerkennen.
Vor Jahren war er ihm schon einmal begegnet – diesem Sämann des Schreckens, dem mit Abstand schärfsten unter den domini canes, den Hunden des Herrn. Den Rom darauf abgerichtet hatte, die reine katholische Lehre zu bewahren. Und darauf, irrende Schafe in die Herde der römischen Kirche zurückzutreiben. Und der jedem, der sich dem Stab ihrer Hirten nicht beugen wollte, mit ewiger Verdammnis drohte. Und Folter und Feuer über diejenigen brachte, die sich dennoch zu widersetzen wagten.
Heinrich von Olmütz war ins Ennstal gekommen.
Und Moritz Prechtel wusste, was das bedeutete.
„Jesus, Maria“, murmelte er dumpf und bekreuzigte sich.
Als Wolf am Morgen dieses in nassem Grau versunkenen Julitages den Turm betrat, um den Grafen in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen, fand er Rupert gerade damit beschäftigt, die Stiefel seines Herrn mit Schweinefett zu wichsen. Er hockte auf einem Schemel in der geräumigen Nische zu Füßen der Treppe, die zu den Wohnräumen der Herrschaft hinaufführte.
Rupert grinste ihm freundlich zu. „Ah, Ihr seid es, Herr Wolf. Seine Gnaden erwartet Euch bereits. Ihr könnt sofort hinaufgehen. Euch brauche ich nicht anzumelden.“
Während Wolf die gewendelten Stiegen hinaufschritt, ließ er sich noch einmal die Geschichte durch den Kopf gehen, die er dem Saurauer präsentieren würde. Noch gestern Nacht hatte er beschlossen, ihm die Wahrheit über die Identität Heinrichs und Rudlins zu verschweigen. Das hatte triftige Gründe. Friedrich von Saurau war dem Konvent zu Admont gegenüber zu absoluter Loyalität verpflichtet. Und der wiederum hatte treu zur Kirche zu stehen. Was bedeutete, dass niemand im Umfeld des Stiftes es sich leisten konnte, Ketzer zu beherbergen, geschweige denn, sie laufen zu lassen, war man ihrer erst einmal habhaft geworden.
Kräftig pochte er an die Tür und trat ein, als er das „Nur zu, herein!“ des Saurauers hörte.
Friedrich hatte am Fenster gestanden, wandte sich nun aber zu seinem Besucher um. „Ah, Wolf, Ihr seid es. Und … was hat Euer Verhör ergeben? Habt Ihr die beiden des Mordes überführt?“, fragte er.
„Nein, die Männer sind unschuldig. Sie sind arbeitslose Gaukler auf der Suche nach einem neuen Broterwerb. Sie behaupten, als Pilger verkleidet bringe man ihnen mehr Achtung entgegen. Auch falle es ihnen so leichter, Almosen oder eine Herberge zu bekommen“, log Wolf und wunderte sich darüber, wie leicht ihm diese Unwahrheit über die Lippen kam. „Wie dem auch sei, sie haben mir einen entscheidenden Hinweis gegeben, was den Mord an der Familie des Köhlers angeht“, fuhr er fort und schilderte in kurzen Zügen den Teil des Verhörs, in dem es um die Männer ging, die Rudlin im Morgengrauen belauscht hatte.
„So, wie es aussieht, werdet Ihr nun also an zwei verschiedenen Fronten kämpfen müssen, nicht wahr?“
Es war eine heikle Frage, die der Saurauer da stellte, dem aus verständlichen Gründen in erster Linie daran gelegen war, dass der Überfall in der Buchau aufgeklärt wurde.
Doch gerade als Wolf zu einer Erwiderung ansetzen wollte, wurde ihre Unterhaltung jäh unterbrochen. Mit einem dumpfen Knall wurde die Tür aufgerissen, und Lisa, die Obermagd, stürzte herein. Sie war völlig außer sich.
„Edler Herr“, rief sie, ganz außer Atem.
Erschrocken sprang der Saurauer auf. „Lisa! Was fällt dir ein!“, schimpfte er.
Unvermittelt erschien die Gestalt Ruperts im Türrahmen.
„Kann ich etwas tun, edler Herr?“, fragte er besorgt. Er hatte Lisa trotz ihrer Leibesfülle in heller Aufregung die Treppen hochstürzen sehen und war hinter ihr hergeeilt.
Der Graf winkte ab. Immer noch unwirsch sah er die Magd an, die erst jetzt ihr respektloses Verhalten zu begreifen schien.
„Ich bitte um Verzeihung, edler Herr“, empörte sie sich mit zitternder Stimme, „aber es ist etwas Unglaubliches geschehen. Die Tasche ist weg. Die Truhe … jemand hat meine Truhe aufgebrochen.“ Fassungslos rang sie die Hände.
„Ruhig, Lisa, ganz ruhig. Der Reihe nach, was ist geschehen? Welche Truhe?“ Wolf war auf die Magd zugetreten und versuchte sie zu beschwichtigen.
Die Frau schluckte und bemühte sich, ihre Fassung wiederzuerlangen.
„Also … wie ich schon sagte“, begann sie zu erklären. „Jemand hat die Truhe aufgebrochen. Die Truhe in der Kammer neben der Gesindeküche. Dort, wo ich auch das Geld verwahre … das Geld, das mir Eure
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