Der Seelenleser
Er verstärkt seine Aktivitäten, und wir wissen nicht, weshalb. Und jetzt, nachdem wir seinen Hintergrund kennen, müssen wir annehmen, dass Elise und Lore in Gefahr sind.«
Vera wartete ausdruckslos.
» Falls wir unseren nächsten Schritt nicht klug und vorsichtig machen, könnte Kroll Verdacht schöpfen und einfach verschwinden. Mit Ihren Akten.«
Vera schloss die Augen.
» Falls ich jetzt zum Telefon greifen und das FBI anrufen würde, dann wäre das eigentlich komplett gerechtfertigt.«
Veras ließ die Augen geschlossen. » Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte sie.
» Sagen Sie Elise und Lore, was gerade passiert. Sie können es nicht länger vor ihnen geheim halten. Nach allem, was wir herausgefunden haben, wäre es verantwortungslos.«
Sie öffnete die Augen wieder. » Ich weiß«, sagte sie.
» Wir können noch eine Sache ausprobieren«, schlug Fane vor. » Wir lassen Elise und Lore herkommen und weihen sie in alles ein. Dann stecken wir gemeinsam die Köpfe zusammen und erzeugen neue Einträge in Ihren Akten, die Kroll zwingen, aktiv zu werden, wenn er sie liest. Wir müssen wissen, wo er lebt, und wenn wir Glück haben, bewahrt er die kopierten Akten dort auf.«
Zum ersten Mal sah Fane in Veras Augen Wut glitzern. Er hatte dort Furcht, Aufregung und Panik gesehen, aber das war neu.
» Sie hatten mir doch gesagt…«, setzte sie an und musste schlucken. Ihre Stimme war belegt. » Sie hatten mir doch gesagt, dass…« Sie beendete den Satz nicht. Möglicherweise hatte sie Angst, dass das Schicksal die Einsätze noch einmal erhöhen würde, wenn sie jetzt begann, über den Preis zu lamentieren, den sie, wie von Fane prophezeit, zu zahlen hatte. Stattdessen nickte sie. » Ich rufe sie gleich an.«
Wie das Pech es wollte, trafen beide Frauen gleichzeitig bei der Praxis ein und kamen direkt hintereinander durch die Tür ins Wartezimmer, Lore zuerst.
Als sie Fane sahen, blieben sie überrascht stehen. Die Tür schloss sich geräuschlos hinter ihnen.
Lores Augen blitzten ihn an, und Elises Gesicht wurde ausdruckslos.
» Vera ist drin«, sagte Fane. » Sie sind beide Klientinnen von ihr.« Er machte eine vorstellende Geste. » Elise– Lore. Sie kennen mich beide unter dem Namen Townsend.«
Die beiden Frauen warfen sich nervöse Blicke zu. Beide bemühten sich verzweifelt zu verstehen, was gerade geschah.
» Es ist im Moment etwas verwirrend, ich weiß«, sagte Fane. » Aber wenn Sie sich wenige Minuten gedulden wollen, werde ich Ihnen alles erklären. In Ordnung?«
» Oh verdammt«, fluchte Lore leise.
Fane öffnete die Tür, die in Veras Besprechungsraum führte, und folgte den beiden Frauen hinein. Vera stand am Fenster und blickte hinaus. Als Fane mit den Frauen eintrat, drehte sie sich um.
» Ich befürchte, wir haben ein gemeinsames Problem«, sagte sie mit gepresster Stimme. » Es gibt ziemlich viel, über das wir reden müssen… Bitte haben Sie noch ein paar Augenblicke Nachsicht…«
Fane bat alle, sich zu setzen, und beide Frauen fingen an, ihre Umgebung zu betrachten. Vorsichtig wie Katzen schlichen sie um die Sitzmöbel herum, bis jede einen Platz gefunden hatte, an dem sie sich niederlassen wollte.
Elise setzte sich auf die Kante des Sofas, während Lore plötzlich mitten in der Bewegung ihre Meinung zu ändern schien, unwirsch den Kopf schüttelte und den Lehnsessel ein paarmal umrundete, bis sie sich dahinterstellte und sich aufstützte.
» Fangen wir an«, sagte Fane, der es auch vorzog zu stehen. » Ich beginne mit einigen einfachen Fakten, um die Situation für alle weniger scheußlich zu machen.«
Lore warf wieder einen kurzen Blick zu Elise hinüber, die ihrerseits Fane nicht aus den Augen ließ.
» Die Namen, die ich gerade verwendet habe, um Sie einander vorzustellen, sind das Einzige, was Sie gegenseitig über einander wissen. Es ist wichtig, dass Sie das im Kopf behalten, während wir alles besprechen.
Ich kenne Vera seit drei Tagen. Sie hat auf Empfehlung eines vertrauenswürdigen Freunds mit mir Kontakt aufgenommen. Drei Tage vor unserem Treffen– also vor sechs Tagen– kam sie zu der schmerzhaften Schlussfolgerung, dass Sie beide eine Affäre mit dem gleichen Mann haben.«
Es gab kein Drama außer dem unfreiwilligen Ausdruck tiefsitzenden Schocks auf den Gesichtern der Frauen. Lore schob sich langsam um den Lehnsessel herum und setzte sich hin. Elise schloss die Augen und ließ den Kopf nach vorne sinken.
Fane hatte schreckliches Mitleid mit ihnen. » Es hat
Weitere Kostenlose Bücher