Der Seelenschluessel
Sie tun und lassen, kümmert mich nicht.«
»Ach nein? Weshalb sind Sie dann hier?«
Gute Frage
. »Ich will verstehen, warum sich jemand mit Ihrem Intellekt derart selbstzerstörerisch einer Frau wie ihr verschreibt. Was hat sie gegen Sie in der Hand?«
»Gar nichts, Iliana«, antwortete Shing-kur.
»Warum dann?«
»Sie brauchte jemanden. Ich war für sie da.«
»Weiter nichts?«
Shing-kur betrachtete sie einen Moment lang. »Haben Sie sich nie gebraucht gefühlt?«
Ghemor trat einen halben Schritt auf das Kraftfeld zu. »Helfen Sie mir, sie zu stoppen.«
»Warum sollte ich?«
»Schert es Sie nicht, wie viel Schaden sie angerichtet hat? Und wie viel sie noch anrichten wird?«
»Ah, natürlich. Der Schaden, den
sie
verursacht hat.« Shing-kurs Augen wurden weiß. »Sie sind genau wie alle anderen, Iliana. Sie denken gar nicht daran, dass auch sie Schaden genommen hat. Dass sie verraten wurde, Enttäuschungen verkraften musste.«
»Dann helfen Sie mir, es zu verstehen.«
Shing-kur setzte sich auf. »Ich hatte recht mit Ihnen. Sie kommen sich im Moment tatsächlich verloren vor, oder? Seit unserem letzten Gespräch hat sich etwas verändert. Ich sehe es Ihnen an.«
»Nichts hat sich verändert«, widersprach Ghemor durch zusammengebissene Zähne. »Sie ist nach wie vor da draußen, Sie sind nach wie vor eingesperrt.«
»Das, wage ich zu behaupten, sind wir beide«, sagte Shing-kur, und ihre Augen wurden erneut tiefschwarz.
»Ghemor?«
Sie drehte sich um. Dax und der Doktor standen nahe dem Ausgang. Die Trill nickte in Richtung Tür.
»Hätten Sie einen Moment Zeit?«
Ghemor warf der Kressari einen letzten Blick zu, dann folgte sie den Offizieren nach draußen. Dax führte sie in ein Verhörzimmer. Was immer sie sagen wollte, es sollte offensichtlich unter vier Augen geschehen.
Der zierliche Lieutenant verschränkte die Arme vor der Brust. »Was wollten Sie da drin?«
Ghemor hob die Schultern. »Mich um unerledigte Dinge kümmern.«
Dax schien kurz zu überlegen, ob sie weiter nachhaken sollte, ließ den Moment dann aber verstreichen.
»Ms. Ghemor«, sagte der Arzt, »Sie wirken ein wenig ausgelaugt, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Wie fühlen Sie sich?«
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Ziemlich nutzlos. Aber danke der Nachfrage.«
»Wann haben Sie zuletzt geschlafen?«, fragte der Doktor.
»Das ist vermutlich zu lange her.«
»Dann empfehle ich Ihnen, sich auszuruhen«, erklärte Dax. »Deshalb sind wir nämlich hier. Wir haben eine neue Theorie bezüglich des Wurmlochs und starten morgen mit der
Defiant
, um sie zu überprüfen. Falls wir richtigliegen, sind Sie vielleicht schon zum Mittagessen wieder in Ihrem Universum … und bringen Ihrer Doppelgängerin eine kleine Überraschung mit.«
Ghemor nickte nur. Für alles andere war sie plötzlich zu erschöpft. Als sie sich im Spiegel des Verhörzimmers erblickte, kam sie nicht umhin, dem Doktor zuzustimmen: Sie sah furchtbar aus.
Wie jemand, der sich verirrt hat
.
Sie erkannte sich nicht wieder. Iliana hatte geglaubt, sie wisse, was sie hier tat, doch seit ihrer Begegnung mit Sisko fehlte ihr der Halt. Alle ihre Entscheidungen hatten bislang zu Katastrophen geführt. Sie hoffte, ihr blieb noch genug Zeit, die alten Fehler zu korrigieren, bevor die andere Iliana das neue Gesicht der Propheten wurde.
Seltsamer Gedanke. Ein neues Gesicht
.
Von neuer Energie beflügelt, drehte sich Iliana zu ihren Gastgebern um. »Ich glaube, ich habe da eine Idee …«
TEIL DREI
DAS ANDERE UNIVERSUM
Kapitel 7
Fünf Tage zuvor
»Meine Geduld hat Grenzen, L’Haan«, sagte Iliana. Sie stand am Panoramafenster ihrer Suite auf der
Negh’Var
und beobachtete die Sterne. Sie sahen aus wie lange Streifen, denn das Schiff flog mit Überlichtgeschwindigkeit. Iliana war ihrer längst überdrüssig. Bis zu ihrem Treffen mit der Kriegsflotte der Allianz bei Regulon war es nur noch Minuten hin, doch die vulkanische Zofe hatte ihren Teil der Abmachung, die sie schon vor Ilianas Ankunft in diesem verrückten Universum getroffen hatten, noch immer nicht eingehalten. »Du sagtest mir, du wüsstest, wie der Mechanismus funktioniert.«
L’Haans Spiegelbild im Fenster verneigte sich tief. Die knappen Seidenfetzen, die an diesem Ort als Dienstkleidung durchgingen, wogten bei jeder Bewegung um ihren schlanken Körper. Ilianas Vorgängerin war offensichtlich eine Person mit vulgärem Geschmack gewesen.
»Bei allem Respekt, Intendantin«, erwiderte L’Haan, »das
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