Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
selbst, die ihr über Jahrzehnte treu zur Seite gestanden hatte.
Isabelle versuchte sie zu beruhigen. «Ich gehe ja nicht gleich morgen früh», erklärte sie matt, «ich werde die Sache anständig zu Ende bringen, keine Sorge. Ich bin mir klar darüber, was dieser Schritt bedeutet, und außerdem verantwortungsbewußt genug, das solltest du eigentlich wissen, um euch alle nicht hängenzulassen.»
«Du beweist mir gerade das Gegenteil.»
«Peter Ansaldi wird viel Geld zahlen müssen, das schwöre ich. Ich werde ihm die Firma in einem perfekten Zustand übergeben. Ich sorge dafür, daß ihr abgesichert sein werdet, du allen voran. Ich werde dich als meine Nachfolgerin vorschlagen, als kreativen Kopf und als Geschäftsführerin. Also mach dir keine Sorgen.»
Patrizia suchte nach weiteren Gegenargumenten, schlug ihr vor, ein paar Monate Pause zu machen und dann zurückzukehren, wandte ein, daß Isabelle unersetzlich sei, doch das alles hatte keinen Zweck mehr.
«Laß mich doch los ...», flüsterte Isabelle, die wirklich am Ende ihrer Kraft war, «wenn du meine Freundin bist, dann kannst du es jetzt zeigen. Laß mich gehen. Ich will weg ... so weit weg wie möglich ... auf einen anderen Kontinent ... raus ... aus allem. Ich werde nach New York gehen, ein neues Leben beginnen ...» Sie weinte. Patrizia konnte sie nicht trösten.
Doch es dauerte fast noch ein Jahr, bis Isabelle ihren Plan endlich in die Tat umgesetzt hatte. Ein langes, hartes Jahr, voller Kämpfe, voller Widersprüche, voller Verzweiflung, das sie nur mit Hilfe ihrer Tabletten überstand. Am Ende hatte sie, wie immer in ihrem Leben, alles erreicht, was sie erreichen wollte. Peter Ansaldi hatte bluten müssen für ihre vierzig Prozent, die sie ihm verkaufte, er hatte sich ihren Vertragsbedingungen beugen und auch Patrizia Paslack als Geschäftsführerin akzeptieren müssen. Der Riß in der Freundschaft zwischen den beiden Frauen aber blieb – Patrizia konnte und wollte nicht verstehen, was mit der großen Belle Corthen, die sich in Wahrheit immer so klein gefühlt hatte, mit dem Star der Modewelt, dem alle zu Füßen lagen und in deren Leben sich alle Wünsche und Träume erfüllt hatten, was mit der Freundin, der sie ihre ganze Bewunderung geschenkt hatte, passiert war.
Nachdem Isabelle endgültig vom alten Leben und allen Menschen, die ihr darin wichtig gewesen waren, Abschied genommen hatte, als sie, endlich, endlich, auf den gepackten Koffern saß, die Überseespedition bereits ihre gesamte Habe auf den Weg nach Amerika gebracht hatte, blieb ihr nur noch ein Mensch, der ihr zur Seite stand, bereit für die große Reise: Elena.
Kapitel 29
Frau Kugge, die Putzfrau, die Jon in den vielen Jahren, die seit Hellens Tod vergangen waren, das Häuschen in Ordnung gehalten hatte, trat über die Treppe hinaus in den Garten, der von sommerlich warmer Abendsonne überflutet war, klimperte mit dem Schlüsselbund und sah zu ihrem Arbeitgeber hinüber. Er saß im Schatten der großen grünen Buche am wackeligen Gartentisch und las die Zeitung. «Ich gehe dann jetzt!» rief sie ihm zu. «Ihr Abendbrot steht in der Küche!»
Jon sah auf. «Danke! Schönen Feierabend.» Er vertiefte sich wieder in einen Artikel über den Iran. Vor dem Haus hörte er mit quietschenden Reifen seinen alten VW-Golf vorfahren, den er seinem Sohn Philip zu dessen achtzehntem Geburtstag vor zwei Jahren geschenkt hatte. Das Autoradio war auf volle Lautstärke gedreht.
«This is not America ... nanana ...», grölte Philip mit und schaltete den Motor aus. Dann machte er auch die Musik aus, knallte die Wagentür zu, öffnete das Gartentor, und Jon vernahm seine Schritte auf dem Kiesweg seitlich des Hauses.
«Hi, Dad!» rief Philip und raste heran.
Jon faltete die Zeitung zusammen und drehte sich nach ihm um. Philip war hochgewachsen und schlank, er hatte dieselbe Statur wie sein Vater vor zwanzig Jahren, auch sonst war er sein Abbild, wie die Leute in Luisendorf immer wieder sagten. Philip trug Jeans, ein amerikanisches Unterhemd und weiße Nike-Tennisschuhe. Er warf den Autoschlüssel auf den Tisch und baute sich grinsend vor seinem Vater auf.
«Drücken?» fragte er.
«Na, Philip?» Jon stand auf und umarmte seinen Sohn. Philip und er hatten ein besonders herzliches und zärtliches Verhältnis. Sie verstanden sich sehr gut. Es hatte nie ernsthafte Konflikte zwischen ihnen gegeben, auch nicht, als Philip in der Pubertät gewesen war. Das lag nicht nur an Philips freundlichem,
Weitere Kostenlose Bücher