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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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«sonnigem» Wesen, sondern auch daran, daß die beiden nach Hellens Tod ganz eng zusammengerückt waren. «Einer für den anderen»: das war stets ihr Motto gewesen, ihr Grundsatz. Hinzu kam, daß Jon seinem Sohn alle Liebe geschenkt hatte, deren er fähig gewesen war, alle Aufmerksamkeit und daß er sich von Anfang an vorgenommen hatte, ihn nicht streng zu erziehen, wie Richard es mit ihm getan hatte, sondern großzügig, liberal, manchmal ein wenig zu nachsichtig sogar. Philip hatte das nie ausgenutzt. Im Gegenteil. Er war hilfsbereit, fröhlich und fleißig, ein Mustersohn, um den viele Jon beneideten. Jon hatte Philip alle wichtigen Grundwerte des Lebens vermittelt, Toleranz, Respekt, Geduld, Verständnis, Mut. Alles teilten sie: die Sorgen und Freuden, das Haus und die Pflichten des Alltags, auch die Interessen und Hobbys. Sie gingen zusammen angeln, sie arbeiteten gemeinsam im Garten (Jons Rosen waren legendär in Luisendorf und Umgebung), sie wanderten, spielten Squash und Tennis in Albershude, Schach daheim und in der Schankstube von Schmidts Gasthof, hatten viele Reisen zusammen unternommen, nach Thailand, Indien, in die Südsee. Sie waren nicht Vater und Sohn, sie waren Freunde.
    «Ich habe gar nicht mit dir gerechnet!» sagte Jon.
    «War nix mehr zu tun, da dachte ich, schöner Sommerabend, alles easy, ich fahre nach Hause.» Philip leistete in einem Altenheim in Albershude seinen Ersatzdienst. Jon, der einer angeborenen Herzschwäche wegen seinerzeit nicht zum Wehrdienst herangezogen worden war, hatte Philip unterstützt, als er den Kriegsdienst verweigert und sich für eine soziale Arbeit entschieden hatte. Im Herbst würde er damit fertig sein. Dann wollte er ein Jahr nach Madrid gehen, um Spanisch zu lernen. Wohl oder übel würde er danach studieren müssen. Lust hatte er keine. Er wollte Schriftsteller werden, ganz, wie es sein Vater einmal vorgehabt hatte. Doch Schriftsteller sein, das war nicht einfach ein Beruf, und Jon hatte ihn in nächtelangen Diskussionen davon überzeugen können, zumindest Sprachen zu studieren, um sein künftiges Leben auf ein solides Fundament zu stellen.
    «Ich habe brüllenden Hunger. Gibt's was zu essen?»
    «Ich hoffe!»
    «Ich auch!» Sie lachten und gingen ins Haus, die Treppe hinauf in die Wohnung. In der Küche hatte Frau Kugge eine Schüssel mit frischgepflückten, geputzten und gezuckerten Erdbeeren aus dem Garten bereitgestellt. Jon und Philip liebten die einfachen Genüsse. Während Philip Milch aus dem Kühlschrank nahm, holte Jon ein kräftiges Schwarzbrot aus dem Brotkasten, das er in Scheiben schnitt und butterte. Sie stellten tiefe Teller, Löffel, die Brote, die Erdbeeren und die Kanne mit Milch auf ein Tablett und gingen hinaus. Draußen deckten sie den Gartentisch, setzten sich und begannen zu essen.
    Nach einem anstrengenden Tag in der Praxis, nach den zahlreichen Patientenbesuchen in Luisendorf und Umgebung, die sich nach Feierabend oft noch anschlossen und die er mit seinem neuen Volvo Kombi absolvierte, genoß Jon solche ruhigen Abende mit seinem Sohn. Manchmal führten sie tiefgründige Gespräche und philosophierten bis in die Nacht, holten Windlichter und Wein und fanden erst ein Ende, wenn von der Hauptstraße her die Kirchturmuhr zwölf schlug. Manchmal alberten sie herum wie dumme Jungs, machten Scherze, lästerten über Nachbarn, die sie nicht ausstehen konnten. Manchmal saßen sie einfach nur schweigend da, lasen ein Buch oder die Zeitung vom Tage und guckten ab und zu über den Rand hinweg zu dem anderen. Glücklich und zufrieden. Jon sah seinen Sohn an und betrachtete dabei sich selbst. In solchen Momenten war er rundum eins mit seinem Schicksal.
    «Was macht deine Freundin?» fragte Jon.
    Philip hatte keine Geheimnisse vor seinem Vater und antwortete ganz offen: «Streß im Augenblick. Funkstille, sag ich mal. Sie ist sauer, weil ich gesagt habe, daß ich nach Spanien will.»
    «Na, das ist doch noch nicht sicher. Wartet doch erst mal ab.» «Aber wenn ...?»
    «Ich hab dir gleich gesagt, Philip: Das ist keine einfache Entscheidung.» Er goß Milch über die Erdbeeren, sie verfärbte sich rosa, während er umrührte. «Es ist auch deshalb keine einfache Entscheidung, weil sie ...»
    «... weil sie älter ist als ich? Sag's doch ruhig.» Philips Freundin war mit Anfang Dreißig erheblich älter als er. Er hatte eine Vorliebe für ältere Frauen, seit er – was zu einem echten Skandal geführt hatte – mit seiner Klassenlehrerin ein

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