Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
ungehoben. Ein schöner Traum eben.»
«Trotzdem verstehe ich nicht ... nach diesen ganzen Jahren, wo du allein bist, nie eine andere Frau hattest ...», er lachte wieder sein dunkles, kräftiges Lachen, das Jons so ähnlich war, «soweit ich weiß.»
«Ich habe keine Geheimnisse vor dir.»
«... daß du nicht mal aktiv geworden bist, zu ihr gefahren bist, nach Hamburg. Wer weiß, vielleicht wartet sie auf dich. Wäre doch cool.»
«Sie lebt in einer anderen Welt. Wir passen nicht zusammen. Ein kleiner Dorfarzt, eine berühmte Modeschöpferin ... ich bin nicht so der Typ Prinzgemahl an der Seite einer Königin, verstehst du?»
«Aber eure Freundschaft, Dad! Ihr könntet Freunde sein.»
«Wir sind Freunde.»
«Stiller Funkverkehr, oder was? Du bist so ein ätzender Romantiker.»
«Ich sag dir mal was, Philip: Wenn ich wüßte, es geht ihr schlecht, sie braucht mich, wäre ich sofort bei ihr. Umgekehrt genauso ...» Er hörte auf zu sprechen. Er wußte, daß es eine Lüge war.
Philip auch. Und er sprach es aus: «Hmmm ... so wie damals beim Tod deiner Mutter? Oder als Mama starb? Da war sie bei dir? Belle Corthen?»
«Sie hat sich immer gemeldet bei mir in diesen Momenten. Und ich bin sicher, in Gedanken war sie da. Ja.»
«Hat dir sicher sehr geholfen.»
«Ob du's glaubst oder nicht: Hat es, ja. Und im übrigen, Philip ...», er legte den Arm um ihn, «ich möchte nicht, daß du so respektlos darüber redest, auch wenn du es nicht begreifst. Ich möchte, daß du, ein bißchen wenigstens, von meinen Gefühlen zu ihr nachempfinden kannst. Ich wünschte mir, daß du sie eines Tages mal kennenlernst, richtig kennenlernst. Und verstehst ...» Er stand auf. «Und jetzt gehen wir zurück. Es wird langsam dunkel.»
Sie machten sich auf den Heimweg. Wie damals als kleiner junge rupfte Jon einen Grashalm aus, der zwischen den Holzlatten des Wiesenzauns hervorlugte. Er legte ihn zwischen die Innenseiten seiner Daumen und blies kräftig hinein. Philip tat es ihm gleich. Schrille Töne erfüllten die Abendluft, immer und immer wieder, bis sie ihr Zuhause erreicht hatten. Gemeinsam räumten sie noch auf, verschlossen die Tür, die vom Haus in den Garten führte, und gingen nach oben.
Philip gähnte. «Ich bin müde, Dad.»
«Ich auch.»
Sie standen im Flur. Draußen war es jetzt dunkel. Jon schaltete das Licht ein. Philip ging als erster ins Bad. Jon nahm sich die Zeitung, die auf dem Küchentisch lag und die er noch zu Ende lesen wollte, und ging in sein Schlafzimmer. Er knipste die Nachttischlampe an. Ihr Licht fiel auf das von Frau Kugge frisch bezogene Bett. Es roch nach Sommer. Jon öffnete das Fenster und ließ die kühle Nachtluft herein. Ein Käuzchen rief. Jon steckte den Kopf hinaus und lauschte.
Philip klopfte an die Tür. «Ich bin fertig!» rief er. «Darf ich reinkommen?»
«Sicher doch.»
Mit nacktem Oberkörper und nur mit einer Schlafanzughose bekleidet, kam Philip herein. Seine Haut war dunkel gebräunt, er war ein Sonnenanbeter.
«Füße gewaschen?» Jon drehte sich zu ihm um.
Philip streckte strahlend die Hände vor. «Hände auch!»
«Dann marsch zu Bett. Und beten nicht vergessen.»
Philip rollte mit den Augen. «Das trennt uns!» erklärte er und fügte dann hinzu: «Aber das ist das einzige.» Er drückte seinem Vater einen Kuß auf die Wange. «Schlaf gut, Dad. Und grübel nicht wieder die ganze Nacht.»
«Wie kommst du denn auf so was? Ich grübel doch nie.» Er grinste. «Ich kann doch über meine Sorgen reden. Ich hab doch dich!»
«Danke gleichfalls.» Philip ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. «Du bist der tollste Vater der Welt, alle beneiden mich um dich, ich habe dir nie danke gesagt, weil ich mich blöd fühle, so was zu sagen. Aber ich weiß, was du alles für mich getan hast. Du hast mich nicht nur großgezogen und mir alles, was ich weiß, beigebracht, du hast mich auch stark gemacht. Ich bin ein glücklicher Mensch. Und das habe ich dir zu verdanken.» Er lächelte ihn offen an. «Ich hoffe, daß ich es schaffe, dir das alles irgendwann einmal zurückgeben zu können, Dad.» Er trat in den Flur hinaus, und ehe Jon etwas antworten konnte, schloß er die Tür hinter sich.
Über die Worte seines Sohnes war Jon gerührt und dachte die ganze Zeit, während er sich zur Nacht fertigmachte, darüber nach. Oft war sein Leben hart und grau gewesen, bestimmt von Schicksalsschlägen, Verlusten, Kämpfen und Arbeit. Doch in diesem Punkt konnte er sich glücklich
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