Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
so schöne, große und ausgefallene Exemplare gesehen. Das wäre was für Philip, dachte er. Sie sprachen kaum etwas, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Auf dem Rückweg nahm Isabelle plötzlich Jons Hand, ohne ein Wort zu sagen, und Hand in Hand kehrten sie ins Haus zurück.
Dort machte Isabelle als erstes den Kamin an. Es war halb fünf. Zeit für eine Tasse Tee. Jon bot an, ihn zu kochen. Als das Kaminfeuer brannte, kam Isabelle zu ihm in die Küche, zeigte ihm, wo der Kandis stand, nahm Tassen und Teller und Löffel aus dem Schrank.
Auf einmal hielt sie inne und sah ihm zu, wie er langsam das kochende Wasser aus dem Kessel in die Kanne goß. «Ich finde etwas ganz komisch, Jon ...», fing sie an.
«Was?» Liebevoll zwickte er sie in die Nase. «Belle?» Ihr Gesicht hatte Farbe bekommen, der Spaziergang hatte ihr gutgetan.
«Du kommst hierher, nach New York, du überfällst mich, ohne dich vorher anzukündigen, du trittst an mein Bett und sagst: Komm mit mir zurück nach Deutschland. Laß alles hinter dir.»
«Ja, und?» Er stellte die Kanne beiseite.
«Und dann verbringen wir anderthalb Wochen zusammen, in schönster Eintracht ... wunderbare Tage, wie wir uns gegenseitig immer wieder versichern, und du fängst überhaupt nicht wieder von dem Thema an. Du sagst kein Wort mehr darüber.»
«Weil ich alles Wichtige gesagt habe, deshalb.»
«Und du machst keinerlei Anstalten ...» Sie brach ab. «Ach ... alles Quatsch ... ich bin eine blöde Kuh.»
«Keinerlei Anstalten ...?» wiederholte er ungerührt.
«Du versuchst es nicht einmal.»
«Was?» Er legte den Deckel auf die Kanne.
«Mit mir zu schlafen.» Sie machte eine Geste mit den Armen, die sagen sollte: Ich weiß auch nicht ... was ist das mit uns? Dabei stieß sie gegen einen der Teller, die auf der Anrichte standen. Klirrend fiel er zu Boden und zerbrach in zwei Teile. «Und das auch noch!»
Im selben Moment gingen Isabelle und Jon in die Knie, um die Scherben aufzuheben. Jeder erwischte eine der zwei Hälften. Sie hockten ganz dicht voreinander, beide mit einer Tellerhälfte in der Hand, und sahen sich an, unverwandt. Isabelle wagte kaum zu atmen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Jon brach als erster das Schweigen: «Ich wollte, nachdem ich so vorgeprescht bin ... nicht noch einmal davon anfangen. Ich wollte, daß du auf mich zukommst ... wenn du soweit bist. Ich glaube, jetzt ist es soweit.» Langsam zog er ihr die zweite Tellerhälfte aus der Hand und fügte sie an seine, so daß man nicht einmal mehr den Riß sehen konnte. Als er weitersprach, leise und mit Bedacht, klang seine Stimme ein wenig tiefer als sonst. «Diese beiden Teile, die zerbrochen sind, gehören zusammen, so wie du und ich ... nicht wahr?»
Sie nickte stumm.
«Ich liebe dich, Isabelle!»
Kein Wort brachte sie heraus. Sie glaubte, einen Kloß im Hals zu haben.
«Kannst du dir denn vorstellen ...», fuhr Jon fort, «ich meine ... kannst du dir vorstellen, so wie ich es vorgeschlagen habe, alles hinter dir zu lassen, dein ganzes schönes, reiches Leben, die Wohnung in New York zu verkaufen, dies Haus zu verkaufen, alles aufzugeben: für mich? Neu anzufangen? Ganz neu? An der Seite eines Landarztes, der den ganzen Tag über nichts anderes tut, als Kranke zu versorgen, von morgens bis abends? Kannst du dir vorstellen, zurück zu den Wurzeln zu gehen ... wieder dorthin zurückzukehren, von wo du einmal wegmußtest, wegwolltest? In ein spießiges, braves Dorf in Norddeutschland? Mit ganzem Herzen und allem, was dein Verstand dir sagt: Kannst du das? Willst du es auch?»
«Ja ...», flüsterte sie. «Ja ...» Sie wollte ihn streicheln, aber er hielt ihre Hand fest.
«Liebst du mich?»
Sie schob ihren Kopf vor, seinem Gesicht entgegen, sie wollte ihn küssen. Sie wollte nichts sagen. Sie wollte auf ihre Weise antworten.
Er neigte sich ein wenig zurück. «Liebst du mich? Isabelle ... Ich muß es einmal von dir hören, verstehst du denn nicht? Ich habe dreißig Jahre auf diesen Moment gewartet, o Gott, Isabelle, ich begehre dich so, ich habe nur dafür gelebt, daß du es mir einmal gestehst, ich will es hören, ich will es wissen. Bitte!»
«Ja!» sie schrie es fast, Tränen liefen ihr über das Gesicht. «Ja, Jon. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich!»
Er ließ den Teller fallen, riß sie an sich, sie warf sich in seine Arme, beide fielen hin, lagen auf dem Küchenboden, küßten sich; küßten sich leidenschaftlicher, als jeder von ihnen beiden je
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