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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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geküßt hatte. Sie zerrten sich die Kleider vom Leib, sie lachten, sie weinten, sie überschütteten sich mit Küssen und Berührungen, sie wälzten sich nackt über den Boden, Isabelle stöhnte auf, sie versanken ineinander. Es war der glücklichste und erfüllteste Moment im Leben von Isabelle und Jon, im Leben zweier Menschen, die sich liebten, die von nun an nie mehr auseinandergehen wollten, in der Gewißheit, daß alles vor ihnen lag und sie die Welt, an der sie gelitten hatten, bezwingen würden.

Kapitel 33
    Herrliche Sommertage am Meer! Nur Glück, nur Freude, keine Sorgen mehr, keine Mißverständnisse, keine Ängste.
    «Ich habe das Gefühl, ich bin aus einem bösen Traum erwacht», sagte Isabelle, als sie auf der vorderen Terrasse in den Korbstühlen saßen, und fuhr mit ihrem Fuß langsam an seinem nackten braunen behaarten Bein hoch.
    «Das kitzelt!» sagte er und blinzelte zu ihr hinüber.
    «Ich schlafe wie ein Murmeltier. Mein Herzrasen ist weg, alles weggeflogen ... nicht einmal die blöden Tabletten brauche ich noch.»
    «Die Seeluft tut dir gut.»
    «Du tust mir gut, Jon. Du tust mir gut.»
    Sie unternahmen viel: Radtouren wie zu Kinderzeiten in Luisendorf; Bummel durch die zahlreichen kleinen Antiquitäten- und Trödelläden; stundenlange Abendessen in Isabelles Lieblingsrestaurants, in der Laundry in East Hampton, School Street in Bridgehampton, Mittagsimbisse auf der Terrasse im East Hampton Point mit Blick auf den Yachthafen oder unter dem Leuchtturm von Montauk, wo sie Clam Chowder aßen oder Hummer-Sandwiches. Sie schrieben Postkarten an Ida und Gretel und an Philip, gingen viel ins Kino, spielten Spiele, sie kochten zusammen, grillten im Garten saftige Steaks, sonnten sich, saßen im warmen Sand, engumschlungen, und schauten der Sonne zu, die jeden Abend wie eine rote Apfelsine im Meer unterging. An einem Regentag zündete Jon den Kamin an, machte es sich im Sessel davor gemütlich, Isabelle hockte sich zu seinen Füßen und hörte ihm zu, während er aus der englischen Ausgabe von Pu der Bär vorlas, die er in einer Buchhandlung in Southampton gekauft hatte.
    Pat, die irische Putzfrau, kam alle zwei Tage mit einem Auto vorgefahren, das so verrostet und verbeult aussah, als würde es jede Minute unter der Last der Staubsauger, Putzeimer und Reinigungsmittel zusammenbrechen, machte sauber, bezog die Betten frisch und räumte auf. Es war ein Leben wie im Paradies. Kein Telefon klingelte, keine unangenehme Post brachte sie aus ihrem gleichförmigen Rhythmus, sie waren nirgendwo eingeladen und baten niemanden zu sich ins Haus. Sie waren ganz und gar allein auf der Welt und rundum glücklich damit.
    Isabelle konnte nicht genug kriegen von Jon, nicht genug von seinem Körper, nicht genug vom Sex. Sie schliefen an den unmöglichsten Plätzen und zu den unmöglichsten Zeiten miteinander, unter der Dusche, vor dem Kamin, selbst am Meer, und das war das Beste von allem. Ab und zu gingen sie schwimmen. Um diese Jahreszeit war das Wasser noch eiskalt, aber es machte ihnen Riesenspaß, sich jedesmal aufs neue zu überwinden und kreischend vor Vergnügen in die Wellen zu springen, sich ins Wasser zu werfen, treiben zu lassen, zu schwimmen, sich zu umarmen und zu küssen. In diesem Moment waren sie wieder wie damals, damals in Luisendorf.
    «Wir müssen verrückt gewesen sein, so lange auf das alles zu warten!» fand Jon, und Isabelle stimmte ein: «Ich weiß überhaupt nicht, warum wir uns eine solche Ewigkeit aus dem Weg gegangen sind.»
    «Das wichtigste ist, daß wir uns überhaupt wiedergefunden haben», meinte Jon.
    Isabelle nickte. «Ab jetzt lasse ich dich nie wieder los!»
    Doch die Uhren lassen sich nicht zurückdrehen. Die Zeit raste, und Isabelle und Jon, die versuchten, alles nachzuholen, was ihnen bisher entgangen war, erkannten nun doch schmerzhaft, was alle Menschen irgendwann einmal quält: Das Schlimmste im Leben sind die versäumten Gelegenheiten.
    Dreißig verschenkte Jahre kamen nicht mal eben hopplahopp zurück. Sie standen an sehr verschiedenen Punkten ihrer Existenz, es gab Unterschiede in der Lebensführung, in den Möglichkeiten, in den Vorstellungen von der Zukunft. Heftig diskutierten sie darüber, immer und immer wieder. Isabelle wünschte sich, Jon würde von nun an hierbleiben und sie könnten das sorglose, ungeplante Leben ewig so weiterführen. Jon aber wollte weder von ihrem Geld leben, noch konnte er in New York bleiben. Er hatte ein Zuhause, er hatte eine Praxis, seine

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