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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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abtupfte.
    Remo kam herein. Mit ein, zwei Sätzen hatte er die Regie übernommen, die Aufgaben verteilt. Er warf dem einen Mannequin eine dreireihige, dicke, aber falsche Perlenkette über, ließ bei dem anderen die Schuhe auswechseln, mit denen Puppe sie gerade ausstaffiert hatte, entschied, daß Patrizia hierbleiben und die Kleider aufbügeln solle, während Isabelle ihn nach draußen begleiten und dort beim Anziehen helfen müsse.
    Es war ein frischer, sonniger Oktobertag. Remo fotografierte auf einem Bootssteg an der Alster, da er sich spontan gegen Aufnahmen im Hafen entschieden hatte. Er schaffte es sehr schnell, die anfangs ruhige und fast ein wenig verkrampfte Arbeitsatmosphäre aufzulockern, und als das Team am frühen Abend in den Salon zurückkehrte, schien es, als wären sie alle Freunde fürs Leben geworden. Sie schnatterten und gickerten, obwohl sie nach der harten Arbeit allen Grund hatten, erschöpft zu sein. Während Remo und sein Assistent die Filmhülsen beschrifteten und ihre Gerätschaften verpackten und während Alma den Mannequins beim Entkleiden half und ihnen ein Glas Sekt spendierte, wurden die Lehrlinge nach oben ins Büro von Puppe Mandel gerufen.
    «Ich möchte Sie für Ihre Arbeit entlohnen. Sie können es sich aussuchen. Sie dürfen sich etwas aus der Kollektion nehmen ... oder Sie kriegen Geld. Also?»
    Patrizia entschied sich sofort für ersteres. Sie liebte Kleider, besonders die noblen Kleider des Salons, die sie sich niemals hätte leisten können.
    Isabelle fragte: «Wieviel gibt es denn?»
    Patrizia guckte erschrocken, Puppe Mandel aber lachte über Isabelles Direktheit. «Also Geld?»
    Isabelle nickte. Puppe ging an ihren Schreibtisch, zog eine Schublade auf und nahm eine kleine Stahlkassette heraus. Patrizia sah auf die Uhr. «Oh, ich glaube, ich muß los!» Sie verabschiedete sich und ging.
    Isabelle und die Modeschöpferin blieben allein zurück. Puppe nahm zwei Geldscheine heraus, schrieb eine Quittung aus, gab Isabelle das Geld und ließ sie den Empfang bestätigen. Isabelle dankte und wollte ebenfalls gehen.
    «Einen Moment noch ... Fräulein Corthen, Isabelle ... ich würde gern noch einmal einen Satz mit Ihnen wechseln. Haben Sie noch eine Sekunde?» Puppe zündete sich mit einem silbernen Dupont-Feuerzeug eine Zigarette an und rauchte ohne Zigarettenspitze. «Tut auch nicht weh.»
    Isabelle kam zurück und blieb vor dem Schreibtisch stehen.
    «Setzen Sie sich doch.»
    Isabelle nahm Platz.
    «Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß ich mich in den Jahren, die Sie nun schon hier sind, nun, sagen wir: nicht sehr um Sie gekümmert habe.»
    Isabelle fand, daß das eine milde Formulierung für die Gleichgültigkeit und nahezu unfreundliche Distanz war, die Puppe Mandel ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte.
    Puppe fuhr fort: «Wir beide wissen ja, wem Sie Ihren Ausbildungsplatz hier zu verdanken haben, jaja, wir wissen es. Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Carl Trakenberg, und ich weiß, Sie haben es auch.»
    Was ist denn jetzt los? dachte Isabelle.
    «Ich weiß, was Sie denken: ‹Was ist denn jetzt los? Ist die Alte verrückt geworden?» Puppe strich sich durch das Haar. Der funkelnde Smaragd am Zeigefinger ihrer Hand harmonierte wunderbar mit dem Rot ihrer Haare. «Ich mag Sie, Isabelle. Ich mochte Sie von Anfang an. Ich schätze Sie als Mitarbeiterin und als Mensch. Ich wollte Ihnen ersparen, daß es irgendwie heißen könnte, ich hätte Sie den anderen vorgezogen ...»
    «Das kann man nun nicht sagen!»
    Sie guckten sich an und lächelten.
    «Eben», ergänzte Puppe Mandel, «ich habe Sie mit Erfolg links liegenlassen. Sie haben sich entfalten können. Alma hat mir Ihre Entwürfe gezeigt. Sie sind ein begabtes Mädchen. Und jetzt, wo Ihre Lehrzeit fast beendet ist, will ich wissen: Was werden Sie danach machen?»
    «Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.»
    «Schlecht. Sie sind ehrgeizig. Ehrgeizige Menschen müssen immer wissen, was sie wollen. Wissen Sie, was Sie wollen?»
    Isabelle zuckte mit den Schultern. Sie wußte es ganz genau. Aber sie wollte es nicht aussprechen. Jedenfalls nicht in diesem Augenblick. Sie kam sich vor wie bei einem Verhör.
    «Bleiben Sie hier. Das ist es, was ich Ihnen gern sagen wollte. Ich meine: Jetzt sollen Sie abhauen, Ihren Samstagabend genießen oder was auch immer. Aber ...», sie drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus, «ich biete Ihnen an, weiter hier bei uns zu arbeiten, als meine Assistentin.»
    Isabelle riß die

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