Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
Augen auf. «Ihre Assistentin?»
Puppe Mandel nickte. «Ich habe mit Carl darüber gesprochen, mit Herrn Trakenberg. Sie haben das Zeug dazu. Eines Tages könnte dies hier alles ... Ihres sein.» Sie sah sich nachdenklich um. «Ich werde das ja nicht machen, bis ich hundert bin.»
Isabelle glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Mit so einem Angebot hatte sie nie im Leben gerechnet.
«Ich sehe schon, ich habe Sie überrascht. Lassen Sie uns was vereinbaren: Sie legen eine wunderbare Prüfung hin, danach sehen wir weiter. Könnten Sie es sich denn grundsätzlich vorstellen?»
Isabelle strahlte. «Ja. Klar. Ja ... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ... Das kommt so überraschend. Aber es wäre wunderbar!»
Puppe Mandel hielt besänftigend die Handflächen hoch. «Es hat auch seine Schattenseiten, ein solcher Salon, glauben Sie mir. Sehr viel Razzledazzle!»
«Was heißt das eigentlich? Ich habe Sie so oft dieses Wort sagen hören, und ich weiß nicht, was es bedeutet.»
«Razzledazzle? Es bedeutet Tamtam.» Sie schmunzelte. «Durcheinander. Das ganze Leben ist ein Durcheinander, wissen Sie? Sie sind noch so jung, das werden Sie erst noch erfahren.»
Hast du eine Ahnung, dachte Isabelle, und Jon fiel ihr wieder ein.
«Es ist so eine Art, nun wie soll ich sagen: Codewort. Zwischen einem Freund und mir. Wenn es schlimm kommt ... wenn ich mal traurig bin, o ja, das kommt auch vor, dann trösten wir uns mit ‹Razzledazzle›. Das ganz gewöhnliche Chaos des Lebens. In fünfzig Jahren oder so sind unsere Sorgen vergessen. Dann ist alles anders. Ein anderes Razzledazzle. Jedenfalls nicht mehr meines.» Sie erhob sich und hielt Isabelle ihre Hand hin. Isabelle stand auch auf. Sie verabschiedeten sich voneinander. Isabelle bedankte sich.
«Denken Sie drüber nach. Aber reden Sie mit niemandem darüber, ja?» Puppe Mandels tiefe Stimme hatte auf einmal etwas Weiches bekommen. Sie begleitete Isabelle zur Tür und strich ihr zum Abschied beinahe zärtlich über den Kopf.
Kapitel 10
Sonntag früh läutete das Telefon. Isabelle legte sich ein Kissen auf den Kopf. Sie war noch todmüde. Es klopfte an ihrer Zimmertür. Ihre Mutter, die immer zeitig aufstand, auch an Sonntagen, weil sie pünktlich um zehn in der Kirche sein wollte, kam herein. «Tut mir leid, Isa ... Guten Morgen, Kind.»
«Morgen, Mama.» Sie gähnte und streckte sich.
«Es ist Jon. Er möchte dich dringend sprechen.»
Isabelle sprang aus dem Bett und rannte in den Flur. Auf dem Garderobenschränkchen stand der Telefonapparat. Sie griff nach dem Hörer. «Jon? Was ist los? Wo bist du?»
Mit wenigen Worten erklärte Jon Isabelle, was geschehen war. Er wirkte sehr ernst und gefaßt, entschuldigte sich sogar dafür, daß er sich nicht eher gemeldet hatte und nicht kommen konnte.
Isabelle war so schockiert, daß sie, während sie ihm zuhörte, langsam an der Wand herunterrutschte, in die Knie ging und schließlich auf dem Fußboden saß, mit Tränen des Mitgefühls in den Augen. Als ihre Mutter vorbeikam, hielt sie schützend die Hand vor die Augen. Sie wollte nicht, daß ihre Mutter etwas mitbekam.
Ihr Angebot, sofort nach Luisendorf zu kommen, schlug Jon aus. Sie könne ohnehin nichts für ihn tun, er müsse jetzt allein sein und damit klarkommen, vieles regeln und vor allem seinem Vater zur Seite stehen. Seine Mutter, so berichtete er nüchtern, habe eine Seebestattung gewünscht, ihre Asche solle vor Husum ins Meer gestreut werden, es gäbe kein Begräbnis und keine Trauerfeier.
«Bitte versteh mich richtig, Isabelle. Ich liebe dich, aber du kannst mir jetzt nicht helfen. Ich muß da allein durch. Wir werden uns eine Weile nicht sehen können.»
Deprimiert legte Isabelle den Hörer auf die Gabel.
«Ist was?» rief ihre Mutter aus der Küche.
Isabelle wollte ihr nichts sagen. Nicht jetzt. Sie konnte es nicht.
«Nein», log sie. «Er kann nicht kommen. Es geht ihm nicht gut.»
«Na, dann ein anderes Mal.» Ida Corthen nahm den pfeifenden Kessel vom Herd und goß das Wasser in den mit frischgemahlenem Kaffee gefüllten Filter. «Frühstück ist fertig.» Sie erschien im Flur. Isabelle rappelte sich hoch.
«Blaß bist du, Kind.» Ihre Mutter nahm den Mantel vom Haken, den Schlüsselbund vom Schränkchen, knipste ihre schwarze Lederhandtasche mit dem goldenen Schloß auf, stopfte die Schlüssel und ihr Gesangbuch hinein und drückte ihrer Tochter einen Schmatzer auf die Wange. «Ich gehe jetzt mit Gretel in die Kirche, und anschließend machen
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