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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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wir mit der Gemeinde einen Ausflug in die Harburger Berge. Essen ist im Kühlschrank. Wenn du dich langweilst, kannst du zu Vivien rübergehen. Die langweilt sich bestimmt auch, ihre Eltern sind ja in Thailand, auf Geschäftsreise.»
    «Ich gehe seit Ewigkeiten nicht mehr zu Vivien rüber, ich habe seit ungefähr hundert Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen!» sagte Isabelle wütend. «Warum sollte ich es heute tun?»
    Ida schüttelte den Kopf. «Deine Launen immer.» Mit diesen Worten verließ sie die Wohnung. Isabelle horchte noch, bis ihre Schritte auf der Stiege verklangen, die Tür unten ins Schloß gefallen war, dann gab sie sich vollkommen ihrem Kummer hin. Sie legte ein kleines sentimentales Lied von Leonard Cohen auf, drehte die Musik auf, so laut es ging, und warf sich schluchzend aufs Bett.
    Das Telefon, das wenig später erneut klingelte, überhörte sie fast. Als sie endlich den Hörer abnahm, meldete sich zu ihrer Überraschung – sie hatte gedacht, es wäre noch einmal Jon – Remo Winter. Er war gerade aufgestanden, hatte mit seiner Tante, bei der er übernachtete, gefrühstückt und war nun in der Stimmung, wie er erklärte, etwas zu unternehmen.
    «Ich dachte, wir machen da weiter, wo wir gestern abend aufgehört haben!»
    «Verstehe ich nicht!»
    «Na ja, es war gestern doch lustig, oder? Warum sollen wir heute nicht auch lachen?»
    «Mir ist wirklich im Moment nicht zum Lachen zumute!»
    «Spazierengehen?»
    «Auch das nicht.»
    «Geht nicht gibt's nicht», meinte Remo, den Isabelles abwehrende Reaktion herausforderte. «Ich bin in einer Stunde da.»
    Ehe Isabelle etwas erwidern konnte, hatte er aufgelegt. Das war das letzte, was sie jetzt wollte. Sie würde einfach nicht aufmachen, wenn er käme, nahm sie sich vor. Andererseits: Vielleicht war es ein Wink des Schicksals, eine Ablenkung in diesem traurigen Moment. Isabelle schaute sich im Flurspiegel an und stellte fest, daß sie grauenhaft aussah. Sie ging ins Bad, duschte, nahm in ihrem Zimmer aus dem Kleiderschrank einen kurzen, grauen Minirock und ein dunkelblaues Twinset aus Wolle, zog sich an und trank in aller Eile in der Küche eine Tasse Kaffee, den ihre Mutter für sie aufgebrüht hatte. Er war nur noch lauwarm. Sie stellte die Lebensmittel zurück in den Kühlschrank, ohne etwas zu essen. Sie hatte keinen Appetit. Irgendwie fühlte sie sich schäbig, weil sie, sofort nachdem Jon ihr diese schreckliche Nachricht überbracht hatte, mit einem anderen Mann spazierengehen wollte. Sie dachte eben darüber nach, Jon noch einmal anzurufen und ihn zu fragen, ob sie nicht doch etwas für ihn tun könne, als die Klingel des kleinen Gartentors ging. Isabelle schreckte auf. Dann eilte sie in ihr Zimmer, besprühte sich mit Diorella, nahm ihren Wohnungsschlüssel und verließ, zwei Stufen auf einmal nehmend, das Haus. Sie rannte über die Garagenauffahrt zum Tor. Remo hatte sich mit seinem mokkabraunen Käfer Cabrio, dessen Verdeck ungeachtet der Herbsttemperaturen geöffnet war, direkt in die Einfahrt gestellt. Bei laufendem Motor saß er auf der Lehne des Fahrersitzes und grinste Isabelle an. Er war dunkel gekleidet, mit einem Rollkragenpullover, einer Wildlederjacke und einer anthrazitfarbenen Flanellhose.
    «Hey.»
    Sie öffnete das Eisentürchen, das sie als Kinder immer benutzt hatten, wenn sie mit dem Fahrrad zur Schule oder irgendwo anders hin gefahren waren, und trat hinaus. «Hallo», sagte sie und zog die Pforte hinter sich zu.
    «Ich habe erst am großen Tor geklingelt, aber als keiner aufmachte, fiel mir ein, daß meine Tante mir erzählt hatte, ihr wohnt im Nebenhaus ...» Er sprang über die Autotür auf den Gehweg und kam auf Isabelle zu. «... schön übrigens!»
    «Deine Tante scheint dir ja allerhand zu erzählen.»
    «Ich weiß alles über dich!» sagte er mit einem seltsamen Singsang in der Stimme und drückte ihr lässig einen Kuß auf jede Wange.
    Unverschämtheit! Was dachte sich der Typ?
    Dann öffnete er galant die Beifahrertür, damit Isabelle sich setzen konnte.
    Er schloß die Augen und zog die Luft ein. «Diorella?» Sie nickte. «Dein Duft! Steht dir. Ist mir schon gestern aufgefallen.» Er ging um den Wagen herum und kletterte über die Fahrertür ins Auto.
    «Geht die Tür nicht?» fragte Isabelle ironisch.
    «Doch.» Er legte den Rückwärtsgang ein. «Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?»
    Remo setzte den Wagen zurück, und dann fuhren sie die Elbchaussee hoch, bis sie das Falkensteiner Ufer

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