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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Remo hat mich verlassen. Wir gibt es nicht mehr.» Sie lachte plötzlich hell auf, weil ihr bewußt wurde, trotz aller Sorgen, was für ein Glück sie hatte: Jon war da. «Und eine Heizung habe ich auch nicht.»
    Er grinste. «Na, das fängt ja super an! Mein Paris-Wochenende.»
    Isabelle zeigte auf den Kamin. «Das ist meine Heizung. Bloß ... ich habe kein Kaminholz mehr», sie machte eine Handbewegung wie ein Spieler, der alles verloren hat, selbst den letzten Groschen aus den Hosentaschen. «Kein Geld. Wir werden frieren müssen.» Sie ging in die Knie, um vom Tablett, das zu ihren Füßen stand, die dicke, gemütliche Kanne zu nehmen und sich und Jon von dem Tee einzugießen.
    Jon kam eine Idee. «Ich sehe, du hast auch keine Bücher mehr, bis auf den Stapel auf der Fensterbank, warum nehmen wir nicht die ollen Regalbretter da?»
    Wenig später, nachdem Jon mit ziemlicher Brutalität die Bretter zertreten und zerbrochen hatte, brannte im Kamin ein gemütliches Feuer. Sie saßen auf dem Sofa, hatten ihr Abendbrot verzehrt, den Tee ausgetrunken und genossen nun die vertraute, wohlige Atmosphäre, schlürften den Rotwein, und Isabelle erzählte und erzählte. Dann fragte sie Jon aus. Sie war von seiner Geschichte überraschter als er von ihrer. Sie mochte erst gar nicht glauben, daß der junge Kerl da, ihr Freund aus Kindertagen, dieser einst so schüchterne Junge, Ehemann war. Ehemann und Vater. Erstaunt war sie auch darüber, daß er nun Medizin studierte und Arzt werden wollte. «Komisch, wie unterschiedlich sich unsere Leben entwickelt haben, nicht? Bei dir so kontinuierlich nach oben, bei mir, na ja ... willst du noch etwas Wein?»
    Er nickte. Sie schenkte ihm nach. Dann erklärte er ihr, wie er überhaupt darauf gekommen war, sie aufzusuchen. Er sprach über seine Krankenhausnachtdienste, über Ida Corthen und Gretel Burmönken.
    Isabelle erschrak: «Ich wußte ja gar nicht, daß meine Mutter im Krankenhaus war.»
    «Es geht ihr wieder gut.»
    «Sie schreibt mir ja nie, außer zum Geburtstag. Und zu Weihnachten.»
    «Schreibst du ihr denn?»
    Isabelle senkte schuldbewußt den Kopf. Sie war keine besonders liebevolle und verantwortungsbewußte Tochter gewesen in den letzten Jahren. Sie war überhaupt nichts gewesen, nicht einmal eine gute Freundin. Plötzlich überkam sie das heulende Elend. Aber sie wollte vor Jon nicht weinen, ihnen nicht den schönen Abend und das wundervolle Wiedersehen verderben. Doch Jon spürte, wie unglücklich seine Freundin war, wie sehr sie auch das schlechte Gewissen plagte. Und die Angst vor der Zukunft. Es war der richtige Moment, dachte er, um darüber zu reden. Sie sprachen stundenlang. Ob es Erschöpfung war, Einsicht oder Jons Überzeugungskraft – am Ende sagte sie ja, als er sie fragte, ob sie nicht morgen mit ihm zurückfahren wolle. Er sprach aus, was sie ohnehin schon so lange dachte.
    «Wirf deinen Stolz über Bord. In Hamburg freuen sich alle auf dich. Sie haben dich vermißt, Isabelle, sie lieben dich. Keiner wird dir Vorwürfe machen, alle werden sich freuen. Und dich vielleicht auch ein bißchen bewundern, daß du so lange durchgehalten hast.»
    «Meinst du?»
    «Aber ja!»
    «Ach, Jon.» Sie kuschelte sich an ihn. Sie war ein bißchen betrunken. Sie hätte ihn gern geküßt.
    Er wurde etwas gerader im Kreuz. «Isabelle», sagte er, «paß auf, damit es von Anfang keine Mißverständnisse zwischen uns gibt: Ich bin, das habe ich dir gesagt, verheiratet. Und zwar glücklich. Ich bin ein treuer Mensch.» Er kratzte sich an der Nase. «Weißt du ja.»
    Sie verbrachten den Rest der Nacht wie gute Freunde – getrennt. Sie wollte ihm ihr Bett überlassen, aber er zog es vor, auf dem Sofa zu schlafen. Am nächsten Morgen organisierte er Kaffee und Croissants, und nachdem sie zusammen gefrühstückt hatten, begann Isabelle ihre Sachen zusammenzupacken. Jon unternahm in der Zwischenzeit eine kleine Rundfahrt durch Paris, er war zum erstenmal in der Stadt und voller Entdeckerfreude.
    Während der Stunden, die er unterwegs war, erledigte Isabelle, was zu erledigen war. Sie suchte die Hausbesitzerin auf und erklärte ihr die Umstände, bat sie darum, ihr die noch ausstehende Miete von Deutschland aus überweisen zu dürfen. Madame willigte ein, machte ihr die Rechnung fertig und notierte, während sie in ihrem plüschigen Salon hinter dem Schreibtisch saß, die Bankverbindung auf ein Blatt Papier. Schließlich wünschte sie ihr Glück und verabschiedete sie im Treppenhaus.

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