Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
Vom Netzwerk:
als früher, von der Villa sah man nichts. Isabelle stieg aus und streckte sich. Es war sehr kalt in Hamburg. Zwar schien die Sonne, aber es wehte ein eisiger Wind. Unter ihren Füßen knirschte das gefrorene Herbstlaub. Jon ging gähnend nach vorn an den Wagen, öffnete die Kofferraumklappe und wuchtete Isabelles Gepäck heraus.
    Sie nahm ihre Sachen von der Rückbank. «Du brauchst es mir nicht reinzutragen, oder willst du noch schnell auf einen Kaffee mit hineinkommen?»
    Er schüttelte den Kopf. «Ich will nach Hause, nimm's mir nicht übel. Ich schreibe Mittwoch eine Klausur und habe noch nichts gelernt. Außerdem», er knallte den Kofferraumdeckel zu, «will ich meine Frau sehen. Und meinen Sohn. Verstehst du das?»
    «Natürlich.» Sie umarmte ihn. «Du Lieber. Danke!»
    Jon stieg ein. «Ich melde mich. Du mußt uns besuchen kommen.»
    Sie nickte und winkte ihm nach, als er davondüste. Dann griff sie sich zwei der Koffer, schritt zum Eisentor, das nur angelehnt war, trat dagegen und ging hinein. Zu Hause! Sie ließ die Koffer sinken und atmete die kühle Luft tief ein. Endlich zu Hause! Warum hatte sie sich nur so lange dagegen gesperrt? Sie konnte sich selbst nicht verstehen. Sie blinzelte. Die Rotbuche, die linker Hand gestanden hatte, war gefällt worden. Auf dem Weg zum Haus lag neuer Kies. Sie blickte zum Eingang. Da sah sie ihre Mutter, die gerade aus der Tür getreten war, mit einem Wassereimer und einem Scheuerbesen. Ida trug ein geblümtes Kittelkleid und hatte um ihren noch schmaler gewordenen Kopf ein Tuch geknotet. Sie schüttete das Wasser auf die Stufen und begann, mit krummem Rücken die Steinfläche zu schrubben. Es tat Isabelle weh, ihre Mutter so schwer arbeiten zu sehen. Sie war jetzt weiß Gott keine junge Frau mehr, und noch immer schuftete sie für andere. Isabelle nahm ihre Koffer wieder hoch und ging auf die Villa zu. Ida hielt inne, richtete sich auf und drehte sich um, als sie die Schritte auf dem Kiesweg hörte. Sie sah ihre Tochter an, die unterhalb der Eingangsstufen vor ihr stehenblieb.
    «Mama!»
    «Na? Wieder da?» Sie setzte ihre Arbeit fort. «Ich muß das hier fertigmachen, sonst schaffe ich mein Pensum nicht», erklärte sie und begann ungerührt, Wasser aus dem Eimer auf die Stufen zu gießen. «Du kannst hier rein, die Trakenbergs sind verreist, Gretel ist in der Küche.»
    «Mama!»
    «Nun tritt mir nicht noch den Dreck hier rauf ... geh rein, ich komme gleich!»
    Isabelle nahm ihr Gepäck und ging hinein. Ida lehnte sich gegen eine der Eingangssäulen. Tränen stiegen ihr in die Augen. Endlich war ihr Kind wieder daheim.
    Gretel strich mit ihren Händen über ihre Schürze, als Isabelle die Küche betrat, und jubelte vor Freude: «Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Daß ich das noch erleben darf! Unsere Französin!» Sie stürmte auf Isabelle zu und übersäte sie mit Küssen. «Laß dich ansehen. Dünn bist du geworden, blaß, rote Nase ... Schnupfen? Du bist mir doch nicht krank?»
    Isabelle konnte nichts sagen. Sie schüttelte nur den Kopf und setzte sich an den Tisch. Auf dem Herd kochte und brutzelte es. Schäumend stieg Suppe unter dem Deckel eines Topfes auf und rann zischend auf die Herdplatte.
    «Ooooh!» Gretel stürmte, immer noch begeistert von den kleinen Alltagskatastrophen, an den Herd und zog, ihre Schürze als Topflappen benutzend, die Suppe vom Feuer. «Hühnersuppe! Deutsche Hühnersuppe, hast du sicher lange nicht gehabt, was?»
    Isabelle schüttelte den Kopf.
    Gretel öffnete die Backofenklappe und zog, unter Zuhilfenahme eines Küchentuchs, eine Schmorpfanne heraus, in der ein knuspriger, dunkelbrauner Braten brutzelte. Sie probierte mit einem Eßlöffel den Fleischsaft, schnalzte genießerisch mit der Zunge und strahlte Isabelle an. Dann goß sie einen reellen Schuß Rotwein nach, schob die Pfanne zurück und verschloß den Backofen wieder. Nun widmete sie sich dem Birnenkompott, das in einem zweiten kleineren Topf blubberte. Sie ging in die Speisekammer, kam mit zwei Nelken und einer Zimtstange zurück und warf sie in den Topf, rührte um, probierte, gab Zucker zu und legte den Deckel auf.
    Isabelle beobachtete jede ihrer Bewegungen. Die Küche war erfüllt von guten Gerüchen. Die Fensterscheiben waren vom Dampf beschlagen. Auf dem Tisch stand ein noch warmer, mit Staubzucker überpuderter Napfkuchen. In einer Porzellanschüssel auf der Anrichte lagen leuchtendgrüne, frisch geputzte und sorgfältig in mundgerechte Stücke zerrupfte

Weitere Kostenlose Bücher