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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Deshalb ... aber das verstehst du sowieso nicht.»
    Isabelle verstand sehr wohl. Nicht nur, daß sie ihre Mutter auf der ganzen Linie enttäuscht hatte, Ida gab auch keinen Pfifferling mehr auf die Zukunft ihrer Tochter. Zu dieser Erkenntnis kam sie, als sie am Tag darauf zum erstenmal nach ihrer Krankheit wieder draußen war, an der frischen Luft, und über das Gespräch vom Vorabend grübelte. Überraschend hatte sich der eiskalte Wind gedreht, und es war zur Mittagsstunde warm geworden. Isabelle saß mit einer Wolldecke über den Beinen in der Sonne auf einer Holzbank, die an der Rückwand des Garagenhauses stand. Gretel hatte sich hier einen Garten anlegen dürfen. Ein paar Kräuter und verblühte Astern, ein Gemüsebeet, das jetzt abgeerntet und mit aufgeworfener Erde dalag, zwei Kletterrosen, die links und rechts der Bank an der Mauer hochrankten – dies war Gretels kleines Paradies. Isabelle zündete sich eine Zigarette an. Seit einer Woche hatte sie nicht mehr geraucht. Sie inhalierte tief, legte den Kopf zurück und schloß die Augen. Es war still und friedlich.
    «Du rauchst?»
    Isabelle öffnete die Augen, blinzelte und schaute zur Seite. Da stand Carl, braungebrannt, lachend. Mit einer dunklen Kordhose, einem Karohemd und einem pfirsichfarbenen Kaschmircardigan sah er jünger aus, als er war. Er wirkte blendend gelaunt und gut erholt, sein Golfurlaub in Portugal hatte ihm gutgetan.
    «Herr Trakenberg!» Isabelle stand auf. Sie schüttelten sich stürmisch die Hände. Beide freuten sich über das Wiedersehen.
    «Setz dich, komm, setz dich», sagte Carl behutsam und faßte sie fürsorglich am Ellenbogen, als wäre sie eine alte Frau oder sehr krank. Sie nahmen auf der Bank Platz.
    «Was höre ich für Sachen!» sagte Carl. «Du bist zusammengebrochen?»
    Sie winkte ab. «Eine verschleppte Grippe, ich war ein bißchen erschöpft. Sonst nichts.»
    «Und ein bißchen am Ende auch, was? Mir mußt du nichts vormachen. Ich habe doch schon alles von unserer Burmönken gehört. Aber nun erzähl mal ...»
    Es dauerte nicht lange, und Carl kannte die ganze Geschichte. Als Isabelle die Formulierung ihrer Mutter gebrauchte und davon sprach, daß sie versagt habe, lachte er laut auf: «Was für ein hausgemachter Blödsinn. Abgerechnet wird am Schluß, sage ich immer. Bist du kleinmütig geworden in Paris, oder was?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Aber ich weiß. Puppe ... also: Frau Mandel ...», er schmunzelte wie ein ertappter Schuljunge, «die wartet doch nur darauf, daß du wiederkommst. Frisch aus Paris!»
    Isabelle konnte das nicht glauben. Aber es stimmte. Schon eine Woche später saß sie in Puppe Mandels Büro. Im Salon hatte sich kaum etwas verändert. Noch immer standen üppig arrangierte Blumen in der Kristallvase auf dem Tisch der Empfangshalle. Noch immer gab es die Showrooms, das Atelier im ersten Stock, Puppe Mandels plüschiges Ambiente in allen Räumen, bis hinauf zu ihrer Wohnung. Noch immer perlten Mozart-Kaskaden das Treppenhaus herunter.
    Nur das Personal war ein anderes. Es gab neue Lehrlinge, neue Gesellinnen, eine neue Direktrice. Alma Winter hatte sich aus dem Arbeitsleben zurückgezogen. Sie war nach München gezogen, der Stadt ihrer Jugend, weil sie fand, dort sei das Leben leichter und die Menschen seien freundlicher. Susanne, die zusammen mit Isabelle gelernt hatte, war entlassen worden. Sie hatte sogar vor dem Arbeitsgericht einen Prozeß gegen Puppe Mandel geführt, wegen ausstehenden Lohnes, den sie sich weigerte zu zahlen. Angeblich hatte Susanne Stoffe und Kleider mitgehen lassen, aber das konnte man ihr nicht beweisen. Patrizia Paslack, die andere Kollegin, mit der Isabelle eng zusammengearbeitet hatte, war ebenfalls ausgeschieden. Sie lebte in Italien, erzählte Puppe Mandel bei einer Tasse Tee und einer Zigarette.
    «Und nun zu Ihnen, Kind», erklärte die Modeschöpferin. «Wir wollen nach all Ihrem Razzledazzle ...»
    «Razzledazzle, ja. Das ist wahr.»
    «... nun, nicht über Vergangenes reden, sondern über die Zukunft. Sehen Sie mich an: Falten hier ..., hier ...» Sie streckte ihre Hände aus, auf denen sich Altersflecken gebildet hatten, und beugte den Kopf vor, so, als könne Isabelle sie dann besser sehen. «Ich altere schneller als andere Frauen, glauben Sie mir.»
    Isabelle mußte lachen.
    «Ich will noch etwas von meinem Leben haben. Dieser Laden hier frißt mich auf. Mir reicht's, ich bin bald sechzig Jahre alt, na ja, offiziell einundfünfzig, also behalten Sie das für

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