Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
ihr einen Aschenbecher mit Asbach-Uralt-Reklameaufdruck hin.
«Habe ich extra deinetwegen gekauft. Und Weihnachtsplatten habe ich auch schon bereitgelegt.»
«Alles meinetwegen.»
«Alles deinetwegen.»
Hellen kam zurück, lehnte die Tür zum Flur an. Sie setzte sich neben ihren Mann und begann, mit einem der Tannenzweige aus der Tischdekoration zu spielen. «Hat alles Jon gemacht!» Sie kraulte ihn am Ohr. «Er meinte, Sie würden so was mögen, Sie seien so romantisch!» Ein kleiner Unterton schwang bei dem Wort romantisch mit.
«Ich finde, wir könnten uns ruhig duzen!» sagte Isabelle und hob ihr leeres Weinglas. «Wenn's denn was zum Anstoßen gibt!»
«Oh!» Jon erhob sich hastig. «Oh, hab ich in der Aufregung vergessen, bin gleich zurück.»
Die Frauen lachten und sahen ihm nach. Hellen hob ihr leeres Glas: «Also, Isabelle ...»
Isabelle hob auch ihr leeres Glas. «Hellen?»
Sie hielten ihre Gläser wie zwei gekreuzte Schwerter gegeneinander.
«Dann stoßen wir mal an ...», erklärte Hellen gedehnt.
«Auf ihn!»
«Okay!» Hellen zog ihr Glas kurz zurück und schlug es nicht unheftig gegen das von Isabelle. «Ich liebe ihn sehr.»
«Das kann ich verstehen!»
«Und damit wir die Situation gleich von Anfang entkrampfen ...»
Isabelle streifte ihre Zigarette ab. «Sie ist doch gar nicht verkrampft. Oder?»
Hellen sprach ungerührt weiter: «Ich bin nicht eifersüchtig auf dich.»
«Das ist gut.»
In dieser Sekunde kam Jon zurück. Er hatte eine geöffnete Flasche Sekt mitgebracht und drei Sektgläser. «Du bist es ja wahrscheinlich gewöhnt, Champagner zu trinken, aber ...» Er schenkte ein.
«Das hast du ja gesehen, was ich gewöhnt war», gab Isabelle zurück und drückte ihre Zigarette aus, während die Piaf sang, daß sie nichts bereue.
«Nicht?» frotzelte Hellen. «Champagner?»
«Natürlich! Und Kaviar zum Frühstück. Und tagsüber gehe ich in den Salon und werfe Mannequins, die auch nur Champagner trinken, Bahnen von Chiffon und Seide über, und dann sage ich: Das ist eine Kreation, und alle klatschen, weil ich so einen tollen Geschmack habe und man in der Welt der Mode ja so freundlich miteinander umgeht.»
«Ich dachte mir, daß du so ein Leben führst!» sagte Hellen.
Isabelle lächelte bitter, und während sie am Sektglas nippte, erzählte sie Hellen, wie ihr Leben als Schneiderin und Assistentin von Puppe Mandel tatsächlich aussah. Jons Frau hörte ihr interessiert zu. Dann ging sie in die Küche, um das Abendessen herzurichten. Sie hatte chinesisch gekocht. Es gab einen pikanten Salat, Frühlingsrollen, danach Hühnchen mit Bambus und Reis, zum Schluß Lychee-Früchte und Tee aus papierdünnen Tassen. Jon hatte Kerzen angezündet, zu später Stunde servierte er Reiswein in blauweißen Schalen. Das Gespräch verlief angeregt, die meiste Zeit über erzählte Isabelle. Aber auch Jon sprach über seine Arbeit im Krankenhaus und darüber, daß er gedenke, in zwei Jahren sein Studium abzuschließen und seine Approbation zu erhalten.
«Klopf auf Holz!» ergänzte Isabelle und klopfte dreimal auf die Tischplatte.
Jon erklärte, er habe bereits für sein «PJ», sein «Praktisches Jahr», einen Platz in der Abteilung für Innere Medizin am Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf, und mit seinem Doktorvater habe er auch schon über die geplante Dissertation gesprochen. Zufrieden lehnte er sich zurück. Hellen ergriff seine Hand. Sie saßen eine Weile so, ohne sich zu unterhalten, und lauschten Vivaldis «Jahreszeiten».
«‹Wie glücklich wäre die Welt›, sagte eine Freundin meiner Mutter immer ...», sprach Isabelle in die Stille, «Gretel Burmönken, weißt du, Jon?»
Er nickte.
«Wie glücklich wäre die Welt, wenn jeder am richtigen Platz säße.»
Das Ehepaar sah sich an.
«Bei euch habe ich das Gefühl– und das geht mir bei wenigen Leuten so, glaubt's mir –, daß ihr euren Platz im Leben gefunden habt.»
Hellen nickte heftig, ihre Haare, die sie zu Korkenzieherlocken eingedreht hatte, spiegelten mit ihrem Glanz den Schein der Kerzen wider. «Ja. Da hast du recht, Isabelle.» Sie stand auf und küßte ihren Mann auf die Wange. «Ich gucke schnell mal nach Philip.» Sie schloß die Tür hinter sich.
Isabelle und Jon sahen sich schweigend an. Isabelles Augen funkelten.
«Warum sagst du so was?» fragte er.
Sie zuckte die Achseln. «Stimmt doch, oder?»
Jon schwieg und kippte noch einen Reiswein herunter.
«Oder was meinst du, Jon?»
«Du weißt genau,
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