Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
sie bereits ausgemacht. In einer Ecke des Zimmers stand das Kinderbett. Sie hörten Philip ruhig und gleichmäßig atmen. «Ich hatte beschlossen, deine Freundin nicht zu mögen», erklärte Hellen fast flüsternd, um ihren Sohn nicht aufzuwecken, «als sie reinkam, fühlte ich mich bestätigt. Wie sie sich hier umgesehen hat! Forsch, arrogant, unsensibel, egoistisch ...»
«Also komm ...»
«... fand ich sie im ersten Moment. Mir ist ein Rätsel, was er an ihr findet ...»
«Hellen!»
«... nur, weil sie gut aussieht, dachte ich. Dachte ich. Doch dann, so im Laufe des Abends ... Sie kann amüsant erzählen, sie hat viel erlebt und kann sich und andere ganz gut einschätzen. Sie ist eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Sie kann zuhören. Sie kann witzig sein. Sie hat Herz.»
«Laß uns jetzt nicht länger über sie reden, hmmm?»
«Ich wollte dir ja auch nur sagen, Jon, daß ich dich verstehe.» Sie gab ihm einen zärtlichen Kuß auf den Mund und drehte sich auf die Seite. «Und jetzt schlaf schön.»
«Du auch, Liebling.»
«Gute Nacht.»
«Gute Nacht.» Doch schlafen konnte Jon noch lange nicht. Auf dem Rücken liegend, starrte er zur Decke. Alles drehte sich. Ihm war schwindelig. Er fuhr Karussell. Das schaukelnde weiße Pferd mit dem goldenen Zaumzeug, der Rappe daneben mit dem Silbersattel: das waren Isabelle und er. Bei der Kirmes in Albershude hatten sie als Kinder darauf Runden gedreht, gelacht, gejuchzt, mit fliegenden Haaren, immer gegen den Wind. Seltsam, daß einem manchmal solche Sachen einfielen. Was man erlebt hatte, schleppte man ein Leben lang mit sich herum. Plötzlich tauchten sie dann wieder auf, die schönen Erinnerungen und die schrecklichen. Es ging ihm doch gut jetzt. Alles war, wie er es sich immer erträumt hatte perfekt. Warum konnte er es nicht so genießen, wie es sich gehört hätte? Warum war er so undankbar gegenüber seinem Schicksal? Warum war da immer noch diese unstillbare Sehnsucht? Es war verrückt gewesen, Isabelle dieses Geständnis zu machen. Es war ein Verrat an Hellen, eine Belastung für Isabelle und eine Dummheit ihm selbst gegenüber.
Jon drehte sich zur Seite und machte die Augen zu. Die Bilder ratterten weiter. Er atmete so ruhig er konnte, nahm sich fest vor, sich vorläufig nicht mehr bei ihr zu melden. Es hatte keinen Zweck. Man mußte die Sache auf sich beruhen lassen, ehe alles nur noch schlimmer würde. Ich muß es akzeptieren, dachte Jon, sie wird immer meine Liebe bleiben. Meine unerfüllte Liebe.
Endlich schlief er ein.
Kapitel 18
Das Weihnachtsfest verbrachte Isabelle geruhsam zu Hause mit ihrer Mutter und Gretel. Auch Silvester feierten die drei zusammen und spielten die halbe Nacht Skat. Isabelle hatte keine Lust auszugehen. Sie wollte ihre Ruhe haben und schlug sogar eine Einladung zu einer großen Fete aus, die sie von einer Kollegin im Salon bekommen hatte. Selbst um ihren Geburtstag machte sie kein großes Aufheben und ging einfach ins Kino. Ihre Mutter zerbrach sich den Kopf darüber, warum ihr Kind sich so zurückzog, und sprach sie darauf an. Doch Isabelle erklärte, es gebe dafür keinen besonderen Grund, sie wolle sich vor allem auf ihre Arbeit im Salon konzentrieren und habe nach der Pariser Zeit mit all ihrem Trubel nun einfach nur Sehnsucht nach Ruhe und Abgeschiedenheit.
Dann aber, an einem schönen Maitag, wurde die Hochzeit von Vivien Trakenberg und Peter Ansaldi gefeiert. Vivien hatte Isabelle persönlich eingeladen. Während Ida dagegen war, daß Isabelle als Tochter der Haushälterin an einem Familienfest teilnahm, zerstreute Gretel in ihrer beherzten Art alle Bedenken. Die Mädels seien mal Freundinnen gewesen, und es wäre geradezu brüskierend, wenn Isabelle diese Einladung nicht annähme.
Gretel hatte für die dreitägige Hochzeitsfeier von Charlotte Trakenberg eine kleine Kompanie zur Seite gestellt bekommen – zwei Küchenhilfen und vier Serviermädchen – und machte von ihrer neuen, zeitlich begrenzten Autorität kräftig Gebrauch. Niemand durfte sich ausruhen. Weder während der zweiwöchigen Vorbereitungszeit, in der die Lieferanten in der Villa umherschwirrten wie Wespen um ein Stück Apfelkuchen in der Sommersonne, noch während der Feierlichkeiten selbst, die aus einem Polterabend, der kirchlichen Trauung mit anschließendem Empfang und einer Soiree für hundert Personen bestanden.
Carl Trakenberg und Charlotte Trakenberg, geborene Kranz, freuen sich, die bevorstehende Vermählung ihrer Tochter
Weitere Kostenlose Bücher