Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
Vom Netzwerk:
sich. Ich will mich über kurz oder lang zurückziehen, und deshalb brauche ich Sie.»
    Isabelle stockte der Atem.
    «Wenn wir uns vorher nicht wieder zerstreiten oder Sie plötzlich wieder Anwandlungen kriegen, der Männer wegen, oder ich Sie verklagen muß.» Gutgelaunt nahm sie den Rest ihrer glimmenden Zigarette aus der goldenen ziselierten Spitze und drückte ihn in einem Hermès-Aschenbecher aus. «Also, die Sache ist so. Wir machen einen Vertrag, Sie werden, wie schon mal angeboten, meine Assistentin. Dann, nach einer angemessenen Einarbeitungszeit, übernehmen Sie den Salon. Was sagen Sie? Begeistert?»
    Das war dann doch ein bißchen schnell. Isabelle traute ihren Ohren nicht. «Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden.»
    «Nuschele ich?»
    «Ich meinte ...»
    «Carl Trakenberg sagte mir, Sie hätten zwei Jahre bei Yves Morny gearbeitet?»
    «Ja.»
    «Na, wer Yves Morny überlebt ...»
    «Er hat mich entlassen.»
    «Das spricht auch nur für Sie, Isabelle.»
    «Es war keine einfache Zeit», sagte Isabelle leise.
    «Was hatten Sie erwartet? Daß man Sie auf Seidenkissen bettet? Als Schneiderin, Näherin, was weiß ich ... Ich bin sicher, Sie haben da den letzten Schliff bekommen. Ich bin sicher, alles in allem hat Ihnen das Ausland gutgetan, und ich bin sicher, daß wir uns gut verstehen werden!» Sie streckte ihr die Hand entgegen. Isabelle schlug ein.
    «Das kommt jetzt alles so völlig überraschend für mich, ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll.»
    «Dann sagen Sie lieber nichts. Es ist besser als das Falsche.»
    «Trotzdem, darf ich noch einmal darauf zurückkommen, was Sie eben sagten: Daß ich einmal dies alles hier übernehmen soll? Wie kann das gehen? Ich habe keinen Pfennig. Selbst wenn ich dazu beruflich, fachlich, menschlich in der Lage wäre: ich kann Ihnen den Salon niemals abkaufen.»
    Puppe Mandel erhob sich von ihrem Rokokostühlchen, strich sich die lange arabische Bluse glatt und lächelte fein: «Ich denke, nachdem er dieses Gespräch schon so gut auf den Weg gebracht hat, überlassen wir das auch Carl. Unserem Carl, nicht? Sie verstehen mich, ich weiß es!»

Kapitel 17
    Isabelle stand jetzt kurz vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Wie die meisten Menschen liebte auch sie die Jahreszeit besonders, in der sie geboren worden war. Ihr Geburtstag war der 21. Januar; in den Wintermonaten fühlte sie sich deshalb am wohlsten. Das allerschönste aber war für sie die Weihnachtszeit, die sie an die unbeschwerten Kindertage erinnerte. Der Adventskalender, hinter dessen Türchen sich märchenhafte bunte Bilder verbargen, zu denen man sich Geschichten ausdenken konnte. Der Adventskranz mit seinen dicken roten Kerzen, die Sonntag nachmittags angezündet wurden, während es Stollen gab, Butterbrote mit braunen Kuchen belegt oder mit Spekulatius. Das Putzen der Schuhe am Abend vor dem Nikolaustag, die Aufregung am nächsten Morgen, wenn die Schuhe prall gefüllt waren – mit Apfelsinen und Nüssen, Süßigkeiten und kleinen Geschenken. Der Heilige Abend schließlich mit all seinen Ritualen: dem Glöckchen, das bimmelnd den Zutritt ins Wohnzimmer erlaubte; der geschmückte Baum, der Geruch nach Tanne, Zimt und Kerzenwachs, der besonders intensiv am Morgen danach war, wenn man als Kind aus dem Bett gesprungen kam und nachsah, ob noch alle Geschenke dalagen; der Gang zur Kirche, die Weihnachtslieder, der Gänsebraten, der Besuch von Verwandten und Freunden, lärmende, fröhliche, lachende Menschen, in deren Kreis man sich in diesen Tagen geborgen fühlen konnte.
    In der Villa Trakenberg war vor allem Gretel Burmönken damit beschäftigt, den Zauber des Weihnachtsfestes wieder lebendig werden zu lassen. Sie backte und kochte und briet und schmurgelte noch mehr als sonst; sie stellte Speisepläne auf, ließ die Lieferanten fast täglich Köstlichkeiten anfahren; in ihrer Speisekammer war kaum noch Platz, so viele Baumkuchen unter Folie, Kekse in Blechdosen, Kisten mit Zitrusfrüchten, Steigen mit Äpfeln und Körbe mit Nüssen stapelten sich dort. Mitten in der Küche, über dem Eßtisch, an dem im Dezember fast jeden Tag jemand saß – ein Laufbursche, der mit englischem Plumpudding gefüttert wurde, den er noch nie zuvor in seinem Leben gegessen hatte; Charlotte, die bei einer Tasse Tee und etwas kandiertem Ingwer die Menüfolgen für ihre Gesellschaften besprach; Vivien, die Semesterferien hatte und die freien Tage zu Hause in Hamburg verbrachte –, hing, zwei Meter im

Weitere Kostenlose Bücher