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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Durchmesser, dick und duftend, mit vier weißen Kerzen, Silbersternen und Glaskugeln geschmückt, ein Adventskranz. An manchen Abenden in der Woche, wenn Gretel ihre Arbeit beendet hatte («Fertig ist man nie, aber manchmal muß man sich auch ein Ruhepäuschen gönnen!»), ratschte sie ein Streichholz an, stieg auf einen Stuhl und entzündete die Kerzen. Dann schaltete sie das Licht in der Küche aus, und sie und ihre Freundin Ida saßen sich gegenüber, ganz still, ganz feierlich und hingen ihren Gedanken nach. Wenn Isabelle hereinkam, eigentlich, weil sie nach einem anstrengenden Tag im Salon Puppe Mandels hoffte, etwas zu essen zu bekommen, spürte sie sofort, daß sie diese Idylle nicht stören durfte. Sie nahm sich dann vorsichtig einen Stuhl und setzte sich dazu. Ihre Mutter schob ihr dann meist, je nachdem, was sie gerade trank, ihr Glas mit Rotweinpunsch oder ihren Becher mit Tee herüber, lächelte ihr zu und freute sich gemeinsam mit Gretel, wenn Isabelle es sich schmecken ließ.
    Das waren die Momente der Entspannung.
    Die Tage im Salon hingegen waren anstrengend. Sie hatten nichts von der Härte der Arbeit in Paris, aber sie verlangten Isabelles volle Aufmerksamkeit. Sie mußte zeigen, was sie konnte. Und das ging über das Handwerkliche weit hinaus. Puppe Mandel ver langte, daß sie ihr ständig zur Verfügung stand und überall dabei war. Die Modeschöpferin hatte eine despotische und launische Seite, die bis dahin wohl vor allem Alma Winter kennengelernt hatte, die aber nun ungebremst und ungefiltert über Isabelle hereinbrach. Der Ruf nach Isabelle, der ständig durch das Haus und seine Räume schallte, wurde legendär.
    «Belle!» – «Isabe-helle!» – «Wo sind Sie, Isabelle? Ich brauche Sie!»
    Isabelle hatte keine freie Minute mehr. Doch sie lernte auf diese Weise in kürzester Zeit mehr als andere in Jahren.
    Um so intensiver genoß sie ihre freien Tage. Am Freitag vor dem zweiten Advent hatte Jon sie zum Essen zu sich nach Hause eingeladen. Der lange besprochene Plan, daß sie seine Frau und seinen Sohn kennenlernen sollte, wurde nun endlich verwirklicht. Isabelle wäre – schon weil sie vor Neugierde fast platzte – am liebsten schon viel früher hingegangen. Aber Jon hatte zuviel mit seinem Studium und seinen Jobs zu tun, so daß keine Zeit für ein Treffen blieb.
    Isabelle hatte sich einen Tag freigenommen, und bevor sie sich zu der jungen Familie Rix begab, machte sie am späten Nachmittag noch einen Bummel durch die Hamburger Innenstadt. Puppe Mandel hatte ihr immer wieder geraten, sich Schaufenster und Geschäfte anzusehen: «Konkurrenzbeobachtung» nannte sie das. «Wir müssen uns angucken, was die anderen machen. Wir müssen klauen wie die Raben. Das tun alle. So was hält die Branche lebendig. Einer guckt vom andern ab. Einer wirft's dem anderen vor. Jeder leugnet. So ist das Prinzip. Werden Sie auch noch merken.»
    Isabelle hatte sich über diese Äußerungen amüsiert. Sie glaubte nicht daran. Sie selbst jedenfalls würde sich immer auf ihre eigenen Ideen verlassen, dessen war sie sich ganz sicher. Außerdem sprudelte sie über vor Einfällen und hätte lieber heute als morgen eine eigene Kollektion entworfen.
    «Nun mal langsam mit die jungen Pferde», sagte Puppe Mandel, als Isabelle das Thema ansprach. «Alle wollen immer entwerfen. Aber das andere muß auch gemacht werden.»
    Isabelle ging durch den Neuen Wall, eine der nobelsten Einkaufsstraßen der Stadt. In den Geschäften herrschte großer Andrang, Türen gingen auf und zu, Leute, mit Taschen beladen und Hektik im Blick, gingen ein und aus. Über ihren Köpfen funkelten die Lichterketten, die von einer Straßenseite zur anderen gespannt waren und eher an Kirmes als an Weihnachten erinnerten.
    Isabelle mußte an Paris denken. An einer Ecke stand ein Maronenverkäufer, kleine Rauchsäulen stiegen aus seinem Bratkessel auf, es roch süßlich verbrannt. Eine kleine Papiertüte voll davon kaufte sie. Während sie eine Frucht aus der heißen schwarzen Schale brach und aß, schaute sie sich die Auslagen in einem der führenden Modegeschäfte der Stadt an. In den vier Schaufenstern saßen und standen elegant gekleidete Schaufensterpuppen neben Weihnachtsbäumen. Hinter ihnen konnte man das Treiben in dem Laden beobachten. Kristallüster, dicke Teppiche, Stühlchen, Grünpflanzen, ein Geschäftsführer, der alle und alles in die richtigen Bahnen lenkte. Kundinnen in Pelzmänteln, begleitet von gelangweilten Männern, scheuchten

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