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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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die Verkäuferinnen, verlangten, bedient und umworben zu werden, zeigten kühl auf das, was sie zu sehen wünschten, griffen gierig in die Regale, schlüpften in Blazer, probierten Kleider, betrachteten sich zufrieden in Spiegeln, ließen ihre Begleiter die Brieftaschen aufklappen und die Schecks ausschreiben.
    So ein Geschäft, dachte Isabelle, genau so eines und genau in dieser Lage: Das will ich eines Tages auch haben. Sie ging weiter und kaufte in einem Spielzeuggeschäft für Jons Sohn ein Puzzle, dann besorgte sie im Alsterhaus eine Flasche Rotwein als Mitbringsel für ihre Gastgeber und machte sich dann auf den Weg zu ihnen.
    «Schön, daß du da bist!» sagte Jon, als er Isabelle an der Wohnungstür empfing. Er hatte sich offensichtlich extra umgezogen, trug eine Flanellhose, einen englischen Blazer und ein einfaches weißes Hemd ohne Krawatte, aber Isabelles inzwischen geschärftem Auge entging nicht eine gewisse Schäbigkeit. Er schien nicht viele Kleidungsstücke zu besitzen. Auch die Wohnung zeugte von bescheidenen Mitteln. Weder hatte sie etwas von dem lässigen, bohemienhaften Charme und der Schlichtheit des Appartements, in dem Isabelle und Remo in Paris gelebt hatten, noch glich sie dem jetzigen biederen Zuhause Isabelles, das sie mit ihrer Mutter teilte. Jons «Bude», wie er es nannte – Flur, Küche, Bad und zwei Zimmer – war ein ziemlich geschmackloses, wenn auch zweckmäßiges Sammelsurium unterschiedlicher Gegenstände, die er und seine Frau besessen und nun zusammengeworfen hatten.
    Jon wirkte nervös. Ein-, zweimal stotterte er. Als er die Weinflasche in Empfang nahm, war er unschlüssig, ob er sich dafür mit einem Kuß bedanken sollte, und verzichtete nach einem kurzen Zögern darauf. Im Wohnzimmer tollte Philip auf dem Fußboden in einem Chaos von Spielzeugen herum. Jon schimpfte mit seinem Sohn wegen der Unordnung und sah Isabelle entschuldigend an, während er das leinenbezogene Sofa frei machte, damit sie sich setzen konnte.
    Isabelle überspielte die Situation: «Schön habt ihr's hier», sagte sie, setzte sich zu Philip und spielte mit ihm. Jon sah auf die beiden herunter, die Flasche in der Hand. Als Isabelle aufsah und lächelte, wirkte er irritiert, und sie glaubte zu bemerken, daß er rot wurde. Abrupt wandte er sich ab, murmelte «Bin gleich wieder da» und verließ das Zimmer. Isabelle schaute sich um, während Philip sich ungehemmt und fröhlich lachend in ihre Arme warf. Sie wunderte sich, was man alles in einen Raum hineinstellen konnte. Ein Schreibtisch, überladen mit Fachlektüre, Papieren, einer Reiseschreibmaschine. Ein runder Eßtisch, der bereits für das Abendessen zu dritt liebevoll gedeckt worden war, beleuchtet von einer stoffbezogenen Lampe mit Fransen. Das Sofa, dazu ein Rauchglastischchen und zwei Sessel. An den Wänden Holzregale, die überquollen von Büchern, gerahmte Fotos und ein Poster von Einstein, der dem Betrachter die Zunge herausstreckte.
    Jon kam zurück. «Das ist Hellen!» sagte er und schob seine Frau ins Wohnzimmer.
    «Mama, Mama!» Philip sprang auf und lief in die Arme seiner Mutter. Während Hellen ihn im Arm hielt, begrüßte sie Isabelle, die ebenfalls aufstand. Einen Augenblick lang sahen sie sich freundlich, aber stumm an. Das ist sie also, dachten beide. Hellen war von Isabelles Aussehen, Lässigkeit und Weltgewandtheit beeindruckt. Bewußt hatte sie ein schlichtes Etuikleid angezogen und dazu eine lange Kette aus Glasperlen – ein Geschenk Christins – ausgewählt, die sie sich dreimal um den Hals gewickelt hatte. Hellen hingegen trug eine Jeans und ein weites hellblaues Hemd von Jon. Isabelle fand Jons Frau gutaussehend auf eine norddeutsche, sportliche Weise, ein wenig spröde, etwas kühl, sehr blond.
    «Setzen wir uns doch!» sagte Jon, den auf einmal das Gefühl beschlich, es sei keine so gute Idee gewesen, die Frauen zusammenzubringen.
    «Ich bringe eben Boy zu Bett», erklärte Hellen.
    «Nein!» schrie der Kleine auf.
    «Aberja», beruhigte Hellen ihren Sohn. «Du bist müde, und wir wollen außerdem in Ruhe mit Papas Freundin zu Abend essen. Sag schön gute Nacht.»
    «Gute Nacht.»
    «Gute Nacht, Philip, schlaf gut.»
    Jon gab seinem Sohn, der noch immer im Arm der Mutter hing, einen Klaps und küßte ihn zärtlich. Dann verließen beide das Wohnzimmer. Jon und Isabelle waren allein. Er legte eine Edith-Piaf-Platte auf.
    «O Gott!» stöhnte Isabelle und zündete sich eine Zigarette an. «Darf ich?»
    Jon nickte und stellte

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