Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Kopf.
    »Ich auch nicht«, sagte ich. »Also müssen wir das Ufer erreichen ohne zu schwimmen. Wir müssen versuchen, zwischen den Klippen hindurchzuschlüpfen, ohne dass wir zertrümmert werden. Schnell muss es gehen, sehr schnell, und wir müssen höllisch aufpassen!«
    Ich versuchte Zuversicht auszustrahlen, doch sie durchschaute mich.
    »Ich habe Ihnen noch nicht gedankt für alles, was Sie für mich getan haben, aber ...« Sie zögerte, schien nach den richtigen Worten zu suchen.
    »Wir werden nicht sterben! Wir werden auf dieser Insel an Land gehen und in Sicherheit sein, bevor der Tag zu Ende geht.« Ich sprach fest, glaubte aber selbst kein einziges Wort. Schon jagten wir auf die Felsen zu, zwischen denen die Brandung brodelte. Der Tod war uns gewiss. Trotzdem hatte ich keine Angst - wenigstens nicht um mich aber um Maud. Ich wollte nicht, dass sie zugrunde ging. Die Vorstellung, dass sie auf die Klippen geschleudert und dort zerschlagen würde, war zu schrecklich!
    Einen Moment verfolgte ich die wahnsinnige Idee, sie in meine Arme zu reißen und mit ihr über Bord zu springen. Doch dann beschloss ich abzuwarten. Im letzten Augenblick unseres Lebens, bevor wir den Todesstoß empfingen, würde ich sie umarmen und ihr meine Liebe gestehen. Dann würden wir Arm in Arm sterben.
    Wir rückten im Boot so dicht wie möglich zusammen. Sie griff nach meiner Hand. So warteten wir schweigend auf das Ende.
    »Wir werden es schaffen«, sagte ich ohne einen Funken Hoffnung. Doch fünf Minuten später brüllte ich: »Bei Gott, wir schaffen es!«
    Hinter dem Felsen hatte ich eine Landzunge entdeckt und bald konnten wir die Umrisse einer Bucht erkennen. Sie schnitt tief ins Land hinein. Gleich darauf hörten wir Gebrüll - ein andauerndes, ohrenbetäubendes Gebrüll, das das Brausen der Brandung übertönte.
    Als wir auf der Höhe des Felsens ankamen, konnten wir die gesamte Bucht überblicken. An ihrem weißen Sandstrand brachen sich die Wellen und dort lagen Myriaden von Robben.
    »Eine Robbenkolonie!«, rief ich. »Jetzt sind wir tatsächlich gerettet. Dort muss es Männer und Schiffe geben, die die Tiere vor den Jägern schützen. Vielleicht gibt es sogar eine Station.«
    Ich beobachtete die Brandung, die gegen die Küste schlug. »Nicht schön, aber machbar«, entschied ich. »Wenn die Götter uns gnädig sind, lassen sie uns an der Landzunge entlang treiben, bis wir an eine Stelle gelangen, wo wir das Ufer erreichen, ohne uns nasse Füße zu holen.«
    Die Götter waren uns gnädig. Nachdem wir zwei Landzungen passiert hatten, die in Windrichtung lagen, sahen wir eine dritte, die parallel zu den vorigen verlief. Dazwischen erstreckte sich die Bucht. Mit der gerade einsetzenden Flut trieben wir hinein. Die See war hier ruhig und ich fing an zu rudern. Das Ufer verlief in einer Kurve nach Südwesten. Innerhalb der Bucht gab es eine kleine Bucht, die wie ein Hafen wirkte. Dahinter, etwa hundert Fuß landeinwärts, ragten Felswände empor.
    Hier gab es keine Robben. Der Vorsteven scharrte auf hartem Geröll. Ich sprang hinaus, streckte Maud meine Hand entgegen. Im nächsten Moment stand sie neben mir. Als ich sie losließ, fasste sie hastig nach meinem Arm. Plötzlich taumelte auch ich und wäre beinahe in den Sand gefallen. Wir waren so lange auf dem wogenden Meer gewesen, dass wir an Land Gleichgewichtsprobleme bekamen.
    »Ich muss mich setzen.« Maud lachte nervös und schon saß sie im Sand.
    Ich machte das Boot fest, dann ließ ich mich neben ihr nieder. So verlief unsere Landung auf der Mühsalinsel. Wir waren beide »landkrank« vom langen Aufenthalt auf See.

»Narr!«, rief ich ärgerlich. Ich hatte das Boot ausgeladen und die Sachen hinauf auf den Strand getragen, wo ich unser Lager errichten wollte. Etwas Treibholz lag verstreut im Sand. Damit wollte ich Feuer machen und endlich den heiß ersehnten Kaffee kochen.
    »Verdammter Idiot!«, schimpfte ich weiter.
    »Na, na«, meinte Maud freundlich, »warum sagen Sie so etwas?«
    »Keine Streichhölzer«, stöhnte ich, »kein einziges Streichholz habe ich eingepackt. Jetzt können wir keinen heißen Kaffee machen, keine Suppe, keinen Tee, rein gar nichts!«
    »War es nicht Robinson Crusoe, der zwei Stöckchen aneinander rieb und ein Feuer entfachte?« Sie zog ihre hübsche Stirn in Falten.
    »Diese Geschichte ist ein Werk der Dichtung«, rief ich verzweifelt. »Ich habe aber Tatsachenberichte von Schiffbrüchigen gelesen, die immer wieder vergeblich versuchten, auf

Weitere Kostenlose Bücher