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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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während ich ein Feuer entfachte, hörte ich sie im Inneren des Zeltes leise schluchzen. Jetzt war ich an der Reihe, Frohsinn und Optimismus zu zeigen, und ich bemühte mich nach Kräften. Es gelang mir das Lachen in ihre lieben Augen zurückzuzaubern, und bevor wir zu Bett gingen, sang sie sogar für mich.
    Ich lag am Feuer und lauschte. Es war das erste Mal, dass ich sie singen hörte, und ihre Stimme verzauberte mich. Zwar war sie nicht stark, aber süß und außerordentlich ausdrucksvoll.
    Ich schlief noch immer im Boot und in dieser Nacht lag ich lange wach. Ich sah zu den Sternen empor und sann über unsere Lage nach. Niemals zuvor hatte ich Verantwortung getragen. In dieser Beziehung hatte Wolf Larsen vollkommen Recht. Ich hatte auf den Füßen meines Vaters gestanden anstatt auf meinen eigenen. Um mein Vermögen hatte sich ein Notar gekümmert, während ich keinerlei Verpflichtungen kannte. Erst auf der Ghost hatte ich gelernt, für mich selbst zuständig zu sein. Und nun trug ich die Verantwortung für einen anderen Menschen - für die Frau, die ich liebte.

Kein Wunder, dass wir sie die Mühsalinsel nannten! Zwei Wochen plagten wir uns mit dem Bau einer Hütte. Maud bestand darauf, mir zu helfen, aber ich hätte weinen können, wenn ich ihre verkratzten, blutigen Hände ansah. Trotzdem war ich stolz auf sie.
    Maud sammelte eine Menge Steine, die ich für die Mauern brauchte. Zwischendurch kochte sie und sammelte Treibholz und Moos für den Winter.
    Die Wände wurden zusehends höher und die Arbeit fiel mir nicht schwer, bis sich die Frage nach dem Dach stellte. Woraus sollte ich es herstellen? Unsere überzähligen Ruder konnten als Balken dienen, aber womit sollte ich sie decken? Das Segel benötigten wir für das Boot und die Persenning wurde allmählich undicht.
    »Winters verwendete die Häute von Walrössern«, erinnerte ich mich.
    »Hier gibt es Robben«, meinte sie.
    Also eröffneten wir am folgenden Tag die Jagd. Doch das Schießen musste ich erst lernen. Als ich etwa dreißig Patronen für drei Tiere vergeudet hatte, war mir klar, dass es so nicht weiterging. Obendrein hatte ich acht Patronen zum Feueranmachen verbraucht, bis mir der Gedanke gekommen war, dass ich die Glut mit feuchtem Moos bedecken und auf diese Weise konservieren könnte. Daher hatten wir maximal noch hundert Patronen.
    »Wir müssen die Robben erschlagen«, entschied ich. »Die Jäger machen das häufig.«
    »Aber sie sind so hübsch«, wand sie ein. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Es ist so brutal, viel brutaler als sie zu erschießen!«
    »Wir brauchen ein Dach«, sagte ich grimmig. »Der Winter steht vor der Tür. Hier geht es um unser Leben gegen das der Tiere. Außerdem nehme ich an, dass sie weniger leiden, wenn sie erschlagen werden, als wenn man sie erschießt. - Ich werde das übernehmen.«
    Wieder bestand sie darauf, mich zu begleiten. Ich ruderte zur nächsten Bucht und mitten durch zahllose Tiere hindurch bis dicht ans Ufer. Die Robben brüllten so laut, dass auch Maud und ich uns anschreien mussten.
    »Ich weiß, dass es Männer gibt, die sie mit Knüppeln erschlagen«, versicherte ich mir selbst, während ich zu einem riesigen Bullen hin schielte, der sich keine dreißig Fuß entfernt auf seine Vorderflossen erhob und mich eindringlich ansah. »Die Frage ist: Wie stellt man das am besten an?«
    »Lassen Sie uns Tundragras für das Dach sammeln«, schlug Maud vor.
    Sie fürchtete sich genauso wie ich und die schimmernden Zähne und hundeähnlichen Mäuler ringsum boten Anlass genug dafür!
    »Ich dachte immer, sie hätten Angst vor Menschen«, sagte ich.
    »Aber vielleicht stimmt es ja. Vielleicht muss man einfach forsch auf sie zugehen und sie nehmen Reißaus.«
    Trotzdem zögerte ich noch.
    »Ich habe einmal von einem Mann gehört, der die Nistplätze wilder Gänse betreten hat«, erzählte Maud. »Sie töteten ihn.«
    »Die Gänse?«
    »Die Gänse!«
    »Aber ich weiß, dass es Männer gibt, die Robben mit Knüppeln erschlagen«, wiederholte ich stur. Ich wollte vor ihr nicht als Feigling erscheinen. »Also, los!«
    Ich sprang aus dem Boot und marschierte kühn auf einen Bullen zu, der inmitten seiner Frauen lag. Ich war mit einem Knüppel bewaffnet, den die Matrosen dazu verwenden, um angeschossene Robben zu töten. Er maß nur anderthalb Fuß und ich hatte keine Ahnung, dass man an Land die dreifache Länge brauchte.
    Die Kühe watschelten mir aus dem Weg und mein Abstand zu dem Bullen verringerte sich.

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