Der Seewolf
Decken und knöpfte Ölzeug darüber, bevor ich mich hinlegte. Ich schlief nur minutenweise, behielt das Boot im Auge und horchte auf die Brandung. Auf der Ghost hatte ich schon weit schlimmere Nächte erlebt und ich betete zu Gott, dass uns heftige Unwetter erspart bleiben mochten, während wir in dieser Nussschale unterwegs waren.
Trotz allem hatte ich keine Angst. Die Todesfurcht, in die mich Wolf Larsen und auch Thomas Mugridge versetzt hatten, stellte sich nicht mehr ein. Maud Brewster hatte einen neuen Menschen aus mir gemacht. Die Liebe zu ihr ließ mich mein eigenes Leben vergessen und trotzdem war meine Lust am Leben so stark wie niemals zuvor.
Viele Tage und Nächte wurden wir in unserem winzigen Boot kreuz und quer über den Ozean getrieben. Wir gerieten in einen mächtigen Sturm, der uns fast zum Kentern brachte. Schaum und Gischt fegten über die Reling, sodass ich endlos Wasser schöpfen musste. Die Decken trieften vor Nässe.
Alles außer Maud war nass, doch sie trug Ölzeug, Gummistiefel und Südwester, sodass sie, bis auf Gesicht und Hände, geschützt war. Sie half mir, so gut sie konnte, und ließ sich nicht unterkriegen.
Mehrere Tage und Nächte peitschte und heulte der Sturm, jagten strudelnde Sturzseen vorüber. An Schlaf war nicht zu denken. Als Maud schließlich doch von Erschöpfung übermannt wurde, deckte ich sie mit Ölzeug und der Persenning zu. Ich hatte Angst, dass sie die Nacht nicht überleben würde, denn sie war starr vor Kälte. Als ein neuer kalter und trostloser Tag anbrach, hatte ich achtundvierzig Stunden lang kein Auge zugetan. Ich trug keinen trockenen Faden mehr am Leib, mein Körper war steif und schmerzte vor Kälte. Ich fühlte mich eher tot als lebendig. Obendrein wurden wir weiter und weiter nach Nordosten getrieben und entfernten uns immer mehr von Japan.
Aber wir waren beide noch immer am Leben und hatten unser Boot. Obwohl Maud sich inzwischen in einem erbärmlichen Zustand befand - grau im Gesicht, die Lippen blau -, klagte sie mit keinem Wort, sondern blickte mir tapfer in die Augen. Während der Sturm eines Nachts seinen Höhepunkt erreichte, schlief auch ich vor Erschöpfung ein.
Welch ein Wunder, welche Freude! Als wir erwachten, wehte nur noch ein schwacher Hauch. Die See hatte sich beruhigt und die Sonne strahlte auf uns herab. Die Sonne, diese gesegnete Sonne! In ihren wärmenden Strahlen regte sich neues Leben in unseren starren Körpern.
Schon machte sich wieder Optimismus breit und wir sprachen angeregt über unsere Lage. Leider schien sie alles andere als rosig. Ich konnte bestenfalls raten, wo wir uns in etwa befanden. Mit Sicherheit waren wir viele Meilen vom Kurs abgekommen und Japan war weiter entfernt denn je.
Befanden wir uns in der Nähe der Ghost? Rings um uns her gab es Robben, sodass ich jeden Moment damit rechnete, einen Schoner zu entdecken. Am Nachmittag sahen wir tatsächlich einen von weitem, doch er verlor sich bald wieder in dem unendlichen Grau. An den nun folgenden endlosen Nebeltagen verlor sogar Maud ihren Mut. Doch es kam noch schlimmer! Hagel, Wind und Schneeschauer fielen über uns her und raubten uns auch die letzte Illusion von Wärme. Maud hielt sich bemerkenswert tapfer. Immer wieder war ich nahe daran, ihr meine Liebe zu gestehen, doch dafür war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit. Die Frau, die ich liebte, war auf meinen Schutz angewiesen. Deshalb verriet ich ihr meine Gefühle nicht. So wurden wir vorläufig kein Liebespaar, sondern immer bessere Kameraden.
Weiter und immer weiter verschlug es uns nach Nordosten. Wieder durchwachten wir schreckliche Nächte, in denen der Sturm und die Wogen uns zu zermalmen drohten. Mitten im heftigsten Unwetter, das wir bisher erleben mussten, ließ ich meine Blicke über die aufgewühlte See schweifen - und zweifelte an meinem Verstand. Dann sah ich Maud an, die mir mit feuchten Wangen und zerzaustem Haar gegenübersaß und mir mit ihren braunen Augen tapfer entgegenblickte. Mein Selbstvertrauen kehrte zurück.
Noch einmal schaute ich in Richtung Lee und der Felsen war noch immer da. Schwarz und hoch ragte er aus der tosenden Brandung,
die sich weiß schäumend an seinem Sockel empor warf. Dahinter verlief düster und drohend in Richtung Südosten die Küste.
»Maud«, stöhnte ich, »Maud!«
Sie drehte sich um und sah, was ich sah.
»Das kann doch nicht Alaska sein!«, rief sie.
»Aber nein«, beruhigte ich sie. »Können Sie schwimmen?«
Sie schüttelte den
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