Der Seewolf
Ärgerlich erhob er sich. Ich schritt weiter auf ihn zu und hoffte, dass er die Flucht ergreifen würde.
Als uns nur noch wenige Schritte trennten, geriet ich in Panik. Was, wenn er nicht flüchtete? Dann erschlage ich ihn, versuchte ich mir einzureden. In genau diesem Moment schnaubte und knurrte er und stürzte sich auf mich. Seine Augen blitzten, sein Maul war weit geöffnet, die Zähne leuchteten grausam.
Also war ich es, der die Flucht ergriff. Er rannte unbeholfen, aber schnell hinter mir her. Beinahe hatte er mich eingeholt, als ich ins Boot hechtete. Ich schlug mit dem Ruder nach ihm, als sich seine Zähne tief in das Holz gruben. Wie eine Eierschale zersplitterte es. Dann tauchte der Bulle unter das Boot, schnappte nach dem Kiel und schüttelte uns.
»Meine Güte«, schrie Maud, »lassen Sie uns umkehren!«
Ich schüttelte den Kopf. »Was andere Männer können, das schaffe ich auch. Aber in Zukunft werde ich die Bullen in Ruhe lassen.« »Ich wünschte, Sie würden es ganz lassen.«
»Nun sagen Sie bloß nicht noch ›Bitte, bitte‹«, rief ich ein bisschen ärgerlich, bat jedoch gleich um Verzeihung. »Ich kann jetzt nicht aufgeben«, erklärte ich.
Um meine Nerven zu beruhigen, ruderte ich ein Stück den Strand entlang. Dann ging ich wieder an Land.
»Seien Sie vorsichtig«, rief sie mir nach.
Ich näherte mich einem Harem, den ich von der Seite angreifen wollte. Es ließ sich gut an, doch als ich auf den Kopf einer Kuh zielte, schlug ich zu kurz. Sie schnaufte und wollte fortwatscheln. Ich holte noch einmal aus, doch diesmal traf ich die Schulter anstelle des Kopfes.
»Passen Sie auf!«, hörte ich Maud rufen.
Vor lauter Aufregung hatte ich auf nichts anderes geachtet, doch jetzt sah ich den Herrn des Harems auf mich zukommen. Wieder flüchtete ich ins Boot, den Bullen dicht auf den Fersen.
»Ich denke, es wäre ratsam, die Harems in Ruhe zu lassen«, meinte Maud. »Versuchen Sie Ihr Glück mit friedlichen Einzelgängern.«
»Mir scheint, Ihre Jagdinstinkte sind erwacht«, scherzte ich. »Was ich brauche, ist ein längerer Knüppel, damit ich nicht so dicht an die Tiere heran muss. Das zerbrochene Ruder kommt mir gerade recht.« Ich deutete auf einen jungen Bullen im Wasser. »Da! Diesen Kerl wollen wir im Auge behalten. Und wenn er an Land steigt, folge ich ihm.«
Er schwamm direkt zum Strand und erklomm eine Lücke zwischen zwei Harems, deren Herrscher Warnrufe ausstießen, ihn jedoch nicht angriffen. Wir beobachteten den jungen Bullen, wie er langsam zwischen den Harems hindurchtapste. Dort schien eine Art Pfad zu verlaufen.
»Auf geht's!« Ich sprang auf den Sand, doch mein Herz schlug mir bis in den Hals, als ich mich anschickte, mitten durch diese ungeheure Herde zu laufen.
»Wir sollten das Boot festmachen«, meinte Maud, die plötzlich neben mir stand. Ich schaute sie verwundert an. »Ja, ich begleite Sie. Machen Sie also das Boot fest und besorgen Sie mir einen Knüppel.«
»Wir kehren um«, sagte ich. »Wir decken das Dach mit Gras.« »Sie wissen, dass das nicht geht. Soll ich vorangehen?«
Da reichte ich ihr schulterzuckend das zerbrochene Ruder und griff selbst nach einem anderen. Ich fühlte tiefe Bewunderung für diese Frau.
Unsere ersten Schritte machten wir sehr zaghaft. Maud schrie entsetzt auf, als eine Kuh neugierig ihren Fuß beschnüffeln wollte. Aus demselben Grund beschleunigte auch ich mehrmals meine Schritte. Doch außer einigen warnenden Lauten gab es keine Feindseligkeiten gegen uns. Diese Tiere hatten noch niemals mit Menschen zu tun gehabt. Deshalb verhielten sie sich uns gegenüber arglos und friedlich.
Der Lärm war entsetzlich! Ich hielt inne und lächelte Maud aufmunternd zu. Sie trat dicht an mich heran.
»Ich habe furchtbare Angst!«, rief sie zitternd.
Meine Befürchtungen hatten sich inzwischen gelegt. Das friedfertige Verhalten der Robben ließ keine Bedrohung erwarten.
»Es ist alles in Ordnung«, tröstete ich und legte einen Arm um sie. Dabei fühlte ich mich als starker Mann und als ihr Beschützer. Sie lehnte sich an mich, bis sich ihre Furcht etwas gelegt hatte.
»Es ist schon besser«, meinte sie dann und sah mich dankbar an. »Gehen wir weiter!«
Nach einer Viertelmeile landeinwärts trafen wir auf eine Gruppe junger Bullen, die hier ihr Junggesellenleben genossen und Kräfte für spätere Zeiten sammelten.
Jetzt lief alles glatt. Instinktiv wusste ich, was zu tun war. Ich schrie, vollführte Drohgebärden mit meinem Knüppel und
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