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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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aus solchen Gerüchten«, begann der Vorsteher direkt, »und je dürftiger die Fakten sind, umso mehr schießen die Mutmaßungen ins Kraut. Wir Vorsteher tauschen uns per Brief aus und einmal im Jahr, meist kurz vor der Nilschwemme, wenn sich die Schulen leeren, treffen wir uns. Das tun auch die Schüler verschiedener Tempelschulen, wenn sie zu Hause bei ihren Familien sind. Deine Geschichte sollte eigentlich mittlerweile der Vergangenheit angehören, aber die Behauptung, die Götter hätten dich von den Toten auferstehen lassen, um einen Seher aus dir zu machen, hat sie in den Höfen lebendig gehalten.« Er schlug die Beine übereinander und zog das Laken über die Knie. »Ich frage dich nicht, was daran wahr ist. Eine Auferstehung? Sehr zweifelhaft. Zum Seher geworden? Sehr wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass du auf Geheiß deines Oberpriesters und zur Freude des unsrigen hier bist. Sennefer weigert sich, etwas zu sagen. Das lässt die Spekulationen nur noch weiter auflodern. Daher möchte ich, dass du im Unterrichtsraum erzählst, warum du hier bist, ehe du wieder nach Iunu fährst.«
    Huy hatte sich seine Worte mit zunehmender Sorge angehört. »Meister, ich bin weder verantwortlich für das, was über mich geklatscht wird. Noch bin ich verpflichtet, durch Ägypten zu rennen und diese Flammen auszublasen! Ich bin hier, um mich in die Weisheit Thots zu vertiefen und zu nichts anderem.«
    Der Vorsteher sah ihn von der Seite an. »Du willst andeuten, dass es meine Sache ist, meine und die meiner Lehrer, den Sand des gesunden Menschenverstands auf das Feuer zu schütten«, sagte er trocken. »Nun, ich kann wenigstens sagen, ich hätte den Grund deines Hierseins aus deinem eigenen Munde erfahren, dass du tatsächlich unter Anleitung von Mentuhotep und anderen Oberpriestern zum Seher ausgebildet wirst, dass du dich trotz der schweren Wunde vollständig erholt hast und dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen dem Angriff auf dich und irgendeiner Wahrsagegabe, die du vielleicht besitzt.«
    »Und Sennefer hat nichts erzählt?«, brachte Huy heraus.
    Die Enttäuschung verschwand von dem Gesicht des Vorstehers. »Nichts. Er geht weg, wenn dein Name fällt. Er will mit den Schülern seines Alters nichts zu tun haben, hat aber ein paar Freunde unter den jüngeren.« Huy dachte an Samentuser. »Er macht ständig deutlich, dass er nicht hiersein will«, fuhr der Vorsteher fort. »Aber wie du sicher weißt, kam die Sache mit dem Angriff auf dich Fürst Nacht zu Ohren, der sie beim Pharao selbst vorbrachte. Sennefer wurde von Oberpriester Ramose sofort der Schule in Iunu verwiesen. Sennefers Vater, der Fürst des Nart-Pehu-Sepats, wollte ihn auf die Schule des Amun-Tempels in Weset schicken, aber der Eine verweigerte die Erlaubnis. Außerdem nahm der Eine Sennefer das Recht, ein Wurfholz zu tragen, und beorderte ihn hierher nach Chmunu. Unsere Lehrer können kaum etwas mit ihm anfangen. Er ist sehr verbittert.«
    Vielleicht hat seine Bitterkeit ja nichts mit seiner Strafe zu tun, dachte Huy plötzlich. Es muss ihm bewusst sein, dass dieses Maß an Vergeltung gerechtfertigt war. Nein, er ist aus einem ganz anderen Grund wütend, einem, den ich gut verstehen kann.
    »Mit deiner Erlaubnis würde ich gern mit ihm reden, Meister«, sagte Huy vorsichtig. »Ich möchte ihn um Verzeihung bitten.«
    »Verzeihung!«, entfuhr es dem Vorsteher. »Wofür? Warst du nicht sein Opfer?«
    »Durch Sennefer bin ich begünstigt worden«, sagte Huy mit einem Kloß im Hals. »Meine Ausbildung ist sichergestellt. Durch ihn bin ich ins Blickfeld der Götter gerückt, und sie haben es für angebracht erachtet, mich mit einer Gabe auszustatten. Sennefer sieht seine Schuld, aber er sieht auch, dass sein unbeherrschter Angriff mich letztlich für immer aus dem Staub von Hut-Herib erhoben hat. Ich möchte ihm klarmachen, dass nichts davon meine Entscheidung war und auch nicht seine. Wirklich.«
    Der Vorsteher antwortete nicht sofort. Sein Blick wanderte durch die Tür auf den Rasen und den blauen Himmel. Gedankenverloren klopfte er mit einem Finger auf sein weiß verhülltes Knie, dann räusperte er sich. »Ich will deiner Bitte nachkommen, aber die Begegnung mit Sennefer muss hier und in meiner Gegenwart stattfinden. Auch wenn der Sohn in Ungnade gefallen ist, bleibt der Vater ein bedeutender Mann, und er würde eine weitere Beschmutzung seiner Ehre nicht einfach hinnehmen. Die Angelegenheit hat ihm schon genügend Schande gebracht. Bist du damit

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