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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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erschöpft wie seine. »Komm, wir lassen die Lampe brennen, nehmen unser Soda und gehen zum Fluss, um uns richtig zu waschen. Wir laufen ein Stück stromauf, heraus aus der Stadt, wo keine Feiernden mehr sind.« Sie hatte den Korb bereits geleert. Nun stand sie auf, packte den Sodatopf und Leinentücher hinein und nickte ihm zu. Widerwillig folgte er ihr, nahm ihr den Korb ab und mischte sich unter die Nachtschwärmer auf der Straße.
    Als sie eine ruhige Stelle am Fluss fanden, war der Mond gerade aufgegangen – ein orangefarbener Streifen am Horizont, der zu schwach war, um das Wasser zu färben. Sie waren zu müde, um etwas auf Schicklichkeit zu geben, zogen ihre Kleider aus, wateten in das seichte Wasser und kamen zurück ans Ufer, um sich mit dem Soda abzureiben. »Wir brauchen Öl für die Haare«, erklärte Huy. »Ischat, ich verspreche dir, dass ich hart für Methen arbeite. Aber ich denke auch, dass ich nachmittags auf den Markt gehen und mich als Briefeschreiber anbieten kann. Dann können wir uns Öl und andere notwendige Dinge leisten.«
    Sie warf die Haare zurück und bog den geschmeidigen Körper weg von ihm, dann ließ sie die Arme fallen und sah ihn mit einem merkwürdig forschenden Blick an. »Du willst dich der Wahrheit nicht stellen, Huy, oder? Die Wahrheit ist, dass deine Gabe wieder erwacht ist. Und auch wenn aus meinem Mund niemand davon erfahren wird, werden sich die Gerüchte verbreiten. Manche Leute werden sich an dich erinnern. Sie werden zu deinem Haus kommen, und du kannst nicht vor ihnen davonlaufen.« Sie wandte sich wieder dem Fluss zu. »Ich muss das Soda aus meinen Haaren spülen.« Ton und Haltung wechselten abrupt.
    Huy sah hinauf zum Mond, der jetzt höher stand und weiß wie ein Knochen war. Ich hasse dich, Thot des Buches, Thot des Mondes, erklärte er der hellen Scheibe wütend. Ich werde keinem anderen als dem Gott dieser Stadt meine Reverenz erweisen und keine anderen Fähigkeiten einsetzen als die, die mir in der Schule beigebracht worden sind. Ischat hob sich als schwarze Silhouette vor dem dunklen Fluss ab. Huy ließ sich hinter ihr ins Wasser fallen.
    Das Haus hieß sie mit dem warmen Licht der Lampe und dem zarten Duft nach Balan-Öl und Myrrhe willkommen. »Ich fange schon an, mich hier zu Hause zu fühlen«, sagte Ischat über den Lärm des Bierhauses hinweg. »Wie viele Tage wird wohl noch gefeiert? Ach egal, wir werden uns an unsere Nachbarn gewöhnen. Ich hole uns etwas zu essen.«
    Huy saß mit hängenden Schultern am Tisch. Plötzlich überkam ihn der Wunsch, sich unter die betrunkene Menge nebenan zu mischen oder sich wenigstens mit einem Hocker auf die Straße zu setzen und das Kommen und Gehen der Gäste zu beobachten. Es schien ihm, als hätte er sich nie weiter außerhalb des normalen Alltags befunden, selbst dann nicht, als er nach seiner Rückkehr ins Leben im Haus seines Vaters lag. Gleichzeitig war er nie dichter am alltäglichen Auf und Ab gewesen, das das Leben der meisten Ägypter ausmachte. Er war eins mit den Ziegelherstellern, die am Fluss Stroh in den Lehm stampften, mit den Töpfern, die Tausende von schmucklosen Krügen und Töpfen drehten, die in allen Haushalten gebraucht wurden, mit den Bauern, die ihre Stände auf dem Markt aufbauten und den Vorübergehenden ihre Waren anpriesen. Er war auch eins mit den Dienern, denn schließlich war er jetzt ein Diener von Chenti-Cheti. Doch er wusste genau, dass das Lachen und die Gespräche aufhören würden, wenn er in das Bierhaus gehen und seinen Mund öffnen würde. Sein gebildeter Tonfall, die Wahl seiner Worte, die aristokratische Haltung seines Körpers würden ein allgemeines Unbehagen auslösen. Er lächelte gequält. Du bist wie ein Fisch auf dem Trockenen oder wie eine Wüsteneidechse im Sumpf Huy, Sohn des Hapu. Du gehörst nirgendwo richtig hin.
    Er bedankte sich bei Ischat für das Essen und aß, ohne etwas zu schmecken. Anschließend wünschte er ihr eine gute Nacht, nahm eine der leckenden Öllampen mit in sein Zimmer, zog die schmutzigen Kleider aus und legte sich erleichtert in sein Bett. Morgen müsste er einen von Naschas Schurzen anziehen, einen einfacheren hatte er nicht mehr. Er überlegte, ob er zu einem Sandalenmacher gehen und einen dieser Schurze gegen ein Paar Schuhe für Ischat tauschen sollte. Nicht aus Schilf oder Papyrus, sondern aus Leder, die länger halten und sich langsamer abnutzen würden. Er hörte, wie sie das benutzte Geschirr in den Korb tat. Das Licht wurde

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