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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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plötzlich weniger: sie hatte die Alabasterlampe ausgeblasen. Ein wandernder kleiner Lichtschein verriet ihm, dass sie die andere Öllampe in ihr Zimmer trug. Er beugte sich herunter und löschte seine Lampe, kurz darauf machte Ischat dasselbe. Der Lärm, der durch die Wand drang, war gleichförmig, nicht an-und abschwellend, sodass Huy schließlich meinte, er wäre eine Art Schlaflied.
    Mitten in der Nacht wurde er plötzlich wach. Alles war still, doch irgendetwas, ein bestimmtes Geräusch, musste ihn aus dem Schlaf geholt haben. Er lag da und lauschte. Jetzt hörte er es wieder: es war ein unterdrücktes Schluchzen, und mit einem Stich in sein Herz wurde ihm klar, dass Ischat weinte. Er unterdrückte den Wunsch, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Ich kann dir nicht helfen, erklärte er ihr traurig im Geiste. Wir kennen einander sehr gut. Unsere Freundschaft ist uralt. Sie hat viel überlebt, sie ist gewachsen, sodass wir füreinander offene Bücher sind. Ich liebe dich, aber nicht auf die Weise, wie du geliebt werden willst. Du bist schön geworden, meine Ischat, und wenn es im Reich der Götter nur einen Hauch von Gerechtigkeit gäbe, würde ich dich begehren, wie du mich begehrst. Aber das tue ich nicht. Ich wünsche aus ganzem Herzen, dass es anders wäre. Er lag unglücklich und angespannt in seinem Bett, bis die qualvollen Töne abebbten und das Haus wieder in Schlaf versank.
    Der letzte Tag des Hapi-Festes war erst am zwölften Athyr. Nach vierundzwanzig Tagen voll mit Beten und Zechen waren die erschöpften Einwohner von Hut-Herib froh, wieder zum gesunden, schlichten Alltagsleben zurückzukehren. Die Nilschwemme hatte jetzt fast ihren Höhepunkt erreicht und die Stadt in eine Reihe kleiner Inseln verwandelt, die durch eingedeichte Straßen miteinander verbunden waren.
    Am vierundzwanzigsten Paophi, lange vor Ende des Fests, hatte sich Huy bei Methen zur Arbeit eingefunden. Ischat und er hatten bereits die Strukturen entwickelt, die ihr Leben in den kommenden Monaten bestimmen sollten. Ischat kümmerte sich im Haus um das Aufräumen und Putzen, holte das Essen aus der Tempelküche und trug die Wäsche zum Fluss, wo sie sie zusammen mit einem Schwarm anderer Frauen mit Soda einrieb und gegen die Steine am Ufer schlug. Mit den anderen Wäscherinnen freundete sie sich nicht an. »Sie sind ungebildet und tratschen nur«, erklärte sie Huy, als sie ihre beiden Stühle auf die Straße zerrte und die nassen Schurze und Gewänder darauf auslegte und sich dann Wache haltend auf einen Hocker daneben setzte. »Es interessiert sie nur, wer schwanger ist, wessen Mann ungenießbar ist und wer wem untreu sein könnte. Manchmal tauschen sie sich aus, welche Mittel gegen die verschiedensten Gebrechen helfen, welche Zauber und Flüche eine Nebenbuhlerin ausschalten können oder welches Rezept das beste für Linseneintopf ist. Aber wenn ich sie nach Neuigkeiten über unseren König frage oder wissen will, wie es unserem Gaufürsten geht, sehen sie mich verständnislos an. Sie interessieren sich für nichts, das über ihre Straße hinausgeht. Sie langweilen mich.« Daher war es gut, dachte Huy gut gelaunt, dass Ischat so viel zu tun hatte. Denn sonst wäre sie bei ihrem impulsiven Temperament sicher nur auf dumme Gedanken gekommen.
    Er hatte zwei seiner kostbaren Schurze gegen Ledersandalen und ein strapazierfähiges Kleid für Ischat eingetauscht. Sie war dankbar, aber nicht überschwänglich gewesen, als sie in die Sandalen schlüpfte. »Danke, Huy, aber ich laufe lieber barfuß«, hatte sie abgewehrt.
    Doch Huy blieb unbeeindruckt. »Die Straßen sind voller Dreck. Sollen sich andere schneiden und sich eiternde Wunden zuziehen. Außerdem werden deine Fußsohlen von der festgestampften Erde so hart wie die Ledersohlen, die du tragen sollst, und das willst du doch nicht, Ischat?« Damit hatte er sie bei ihrer Eitelkeit gepackt, und sie grunzte zustimmend. Das Kleid ähnelte den beiden, die sie bereits besaß: ein schmales Gewand aus haltbarem, dickem Leinen mit Schlitzen an den Seiten, sodass sie mit ihren langen Beinen weit ausschreiten konnte, und breiten Schulterträgern. Es fand ihre uneingeschränkte Zustimmung.
    »Ich sollte ein Armband mit deinem Namen tragen, wie andere Dienerinnen auch«, sagte sie. »Dann fragen mich die Frauen nicht mehr, wer ich bin.« Aber einige erinnern sich dann an den Skandal, den ich vor einigen Jahren ausgelöst habe, sagte sich Huy insgeheim.
    Laut sagte er: »Wir sind in erster Linie

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