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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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frischen Wind, in dem sie getrocknet worden waren, doch unter dem angenehmen Duft war der leichte Mäusegeruch zu ahnen, den die Matratze verströmte. Es war ihm egal. »Soll ich dir eine Lampe bringen?«, fragte Ischat.
    Huy schloss die Augen. »Nein. Die Dunkelheit tut gut«, murmelte er. »Ich wünschte, das Bierhaus wäre nicht so laut. Ich schlafe jetzt, Ischat. Es tut mir leid, dass ich die Laken benutze.«
    Er spürte, wie ihre Lippen seine Wange berührten. »Deine Haut ist kalt. Es muss dir nicht leid tun, Huy. Deine Gabe ist wieder da. Das ist so aufregend. Schlaf gut.«
    Er hörte nicht, wie sie hinausging. Ischat wird mich also verlassen, dachte er, und dieses Wissen verstärkte seine Qualen. Die Visionen lügen nicht. Irgendein reicher Aristokrat wird sie holen und sie mit Dienern umgeben, die sie so lange massieren und streicheln, bis die letzten Überreste ihrer niedrigen Herkunft verschwunden sind. Er wird sie mit Schmuck und Parfüm überhäufen, sie in feinstes Leinen kleiden. Wird er sie als seine Frau oder als seine Konkubine lieben? Und wird sie mich dann noch lieben? Sie sah glücklich aus. Wie kann sie ohne mich glücklich sein? Und wann wird das geschehen? Die Visionen zeigen mir nie, um welche Zeit es sich handelt, es sind nur flüchtige Momente, herausgerissen aus der Zukunft, die zusammenhanglos wie Blasen vor mir auftauchen. Ich habe kein Recht, auf diesen namenlosen Mann eifersüchtig zu sein. Auch wenn ich es mir noch so sehr wünsche, ich kann Ischats Begehren nicht erwidern. Auch wenn ich meine volle sexuelle Kraft wiedererlangen würde, wäre sie für mich nichts weiter als eine gute Freundin. Ich brauche dich, meine Ischat. Bis heute wusste ich nicht, wie sehr.
    Er erwachte spät und erhob sich aus dem Bett mit der Angst, zu spät für die erste Unterrichtsstunde dran zu sein. Doch dann holte die Realität ihn ein. Erleichtert ließ er sich auf den Rücken sinken und betrachtete das unregelmäßige Wellenmuster der grauen Lehmdecke. Seine Kopfschmerzen waren vollständig verflogen, und er fühlte sich voller Tatendrang, doch bei der Erinnerung an das, was passiert war, als er Ischat berührte, packte ihn die gewohnte Angst.
    In diesem Moment erschien Ischats Kopf in dem türlosen Durchgang. »Du bist wach!«, sagte sie fröhlich. »Bleib im Bett, Huy. Ich habe etwas zu essen.« Kurz darauf kam sie mit Milch, warmem Brot, gebratenem Fisch, Datteln und einer Schüssel voll mit süßen Sykomorenfeigen herein. »Der Fisch ist wahrscheinlich kalt, er dürfte die Hitze der Pfanne nicht gehalten haben.« Sie verteilte die Gerichte um Huys mit dem Laken bedeckte Beine und hockte sich ans Fußende des Bettes. »Ich habe den Tempelkoch kennengelernt«, verkündete sie, während Huy durstig seine Milch trank. »Ich habe ihn natürlich bezaubert. Er ist gern bereit, uns mit zwei Mahlzeiten pro Tag zu versorgen, denn die bereitet er sowieso für den Oberpriester und seinen Helfer sowie deren Diener zu. Er erinnert sich aufgrund all der Gerüchte an dich, die damals die Stadt erfüllten, als Methen dich … dich gerettet hat. Er möchte, dass du ihm weissagst.«
    »Nein, das werde ich nicht.« Huy zerteilte den Fisch. »Ich werde nie wieder irgendjemanden berühren.«
    »Sei nicht dumm. Wie kannst du das verhindern? Außerdem brauchen wir sein Wohlwollen. Diese Feigen sind Sykomorenfeigen.« Sie deutete darauf. »Man kann sie das ganze Jahr über pflücken. Sehr häufig ernten Ärzte als Erste die Bäume ab, weil der Saft Wunden heilt und die Früchte außerdem Darmwürmer abtöten; dann bleiben für uns nur die kleinen übrig. Der Koch wird uns mit schön großen, süßen Feigen von der Sykomore im Tempelhof versorgen, wenn wir uns gut mit ihm stellen.« Sie schüttelte den Kopf, als Huy ihr die Hälfte des Fisches hinhielt. »Ich habe schon in der Küche gegessen. Diese Sachen sind nur für dich.« Sie stand auf. »Ich gehe nach nebenan und hole heißes Wasser. Hoffentlich können wir uns heute beide waschen. Ich habe deine Beutel ausgepackt. Du musst den schmutzigen Schurz von gestern anziehen, wenn du diese Bruchbude nicht in goldgesäumtem Leinen tünchen willst.« Ihre Stimme enthielt eine gewisse Geringschätzung.
    Bis sie zurückkam, hatte er sein Lendentuch angelegt. Er deutete auf ihr Zimmer, als sie die dampfende Schüssel auf den Tisch stellte. »Ich habe hineingesehen«, sagte er anklagend. »Dein Bett ist mit gutem Leinen bezogen, Ischat, feines weißes Leinen, und auf dem Boden

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