Der Seher des Pharao
eifersüchtige, scharfzüngige kleine Hexe‹ gesagt, aber eine gewisse Anspannung in Thutmosis’ Körper hielt ihn davon ab.
»Nun, sie ist wunderbar«, antwortete Thutmosis ausweichend. »Mein Vater hat begonnen, mir geeignete junge Frauen über den Weg laufen zu lassen, Töchter seiner adeligen Freunde. Manche sind wirklich sehr hübsch, aber sie langweilen mich. Ihre Gespräche sind hohl, und sie reden mir nur zu gern nach dem Mund. Doch Vater möchte, dass ich heirate. Er will einen Enkel haben.«
»Ischat ist keine normale Dienerin, mit der du dir den Nachmittag vertreiben kannst«, sagte Huy hitziger, als er wollte. Thutmosis’ Worte hatten einen unlogischen Besitzanspruch in ihm geweckt. »Und denk erst gar nicht daran, ihr eine Stellung in Nachts Haus anzubieten, weil sie die Feste deines Vaters verschönern würde. Sie ist aus freien Stücken meine Dienerin. Und sie ist mehr als eine Dienerin. Wir sind Freunde.«
Thutmosis hob die Hände mit einer übertrieben entschuldigenden Geste. »Schon gut! Kein Grund, mir den Kopf abzureißen! Meine Fragen sind rein aus Interesse. Du musst zugeben, dass Frauen der unteren Schichten höchst selten derart aristokratische Züge aufweisen. Ich wette, irgendwo unter ihren Ahnen gibt es die Geschichte vom Adeligen und der schwangeren Dienerin.«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Huy steif. »Ich bedaure jedenfalls den Mann, der sie einmal heiratet. Sie sagt immer genau das, was sie denkt. Das kann einen ziemlich aufreiben.«
»Also hast du nicht vor, sie zu heiraten?«
Huy sah Thutmosis in die Augen. Sie waren ohne Arg. »Ich weiß nicht, ob meine Liebe zu Anuket je aufhört«, sagte er mit schwerer Stimme. »Aber selbst wenn ich von dieser Krankheit genese, kann ich niemanden heiraten, wie ich leidvoll erfahren musste, Thutmosis. Ich denke, ich habe dir das erzählt. Es hat mit meiner Gabe zu tun. Die Götter haben mir diese Freude versagt.«
»Ja, das hast du mir erzählt.« Thutmosis ergriff Huys Hand. »Verzeih mir meine Taktlosigkeit, alter Freund. Ich hatte gehofft, die Dinge hätten sich geändert. Und was ist mit dem Buch Thot? Hast du es mittlerweile entschlüsselt? In deinen Briefen erwähntest du es nie.«
»Nein, ich habe es nicht entschlüsselt«, sagte Huy verdrießlich. »Und ich versuche, nicht daran zu denken, aber es sucht mich in meinen Träumen heim. Ich wünschte, ich wäre noch in der Schule und wir würden uns Bälle zuschießen und alberne Sinnsprüche auswendig lernen. Meine Tätigkeit ist anstrengend, Thutmosis. Sie laugt mich aus.«
Die Sänfte hielt auf einem schmalen Sandweg, der weiter vorn zwischen Obstbäumen, Büschen und hohen Palmen verschwand. Als Huy ausstieg, roch er Wasser und Blumen und atmete tief ein. Er drehte sich um, und der Atem stockte ihm.
Die Königsbarke Chaem-Maat lag wie ein großer, vergoldeter Vogel am Ufer eines glitzernden Flussarms. Das geräumige Deck war voll mit Männern, die meisten von ihnen jung, die sich über eine Reling lehnten, die golden in der Sonne glänzte, und ihn interessiert beäugten. Der Steg zum Ufer wurde von vier Soldaten mit gezogenen Schwertern bewacht, die Schurze in den königlichen Farben Blau und Weiß trugen. Die Fahne an der Spitze des vergoldeten Mastes war gleichfalls blau und weiß. Weitere Soldaten in Uniform standen am Ufer in einer Reihe entlang des bemalten, gebogenen Schiffsrumpfs und verfolgten jede Bewegung von Huy, der sich hilfesuchend nach Thutmosis umschaute.
Einer der Soldaten trat vor und lächelte. Huy, der ihn anstarrte, lächelte ebenfalls und rannte auf ihn zu. »Anhor! Bist du das wirklich? Ich hätte dich beinahe nicht erkannt unter all dem beeindruckend verzierten Leder!«
Der Mann verbeugte sich tief, steckte immer noch grinsend sein Schwert in die Scheide und umarmte Huy. »Als das Gerücht aufkam, im Delta würde ein großartiger junger Seher leben, hatte ich den Verdacht, dass du das bist«, knurrte er. »Du bist groß und sehr hübsch geworden, Junge. Und schau!« Er breitete die Arme aus. »Deine Prophezeiung ist wahr geworden! Ich erinnere mich, dass ich sie damals angezweifelt habe, aber jetzt bin ich hier, Mitglied des Stoßtrupps Seiner Majestät und ziehe in den Krieg!« Er brachte seinen Mund dicht an Huys Ohr. »Ich werde die Schlachten genießen«, flüsterte er. »Du hast mir gesagt, dass ich nicht verwundet werde, also kann ich mich ohne Angst auf den Feind werfen und ihn niedermetzeln.«
»Du warst im Tempel von Chmunu wie ein
Weitere Kostenlose Bücher