Der Seitensprung
fort war. Würde zugeben, dass sie einen anderen kennen gelernt hatte und nun mit ihm leben wollte. Er musste ihr zuvorkommen, musste ihr begreiflich machen, dass er bereit war, um das zu kämpfen, was sie hatten, dass er sich ändern würde, wenn sie ihm nur eine Chance gäbe. Er musste ihr verständlich machen, dass sich ihre Entscheidung auf die falschen Voraussetzungen gründete.
Er spürte plötzlich, dass er hätte weinen mögen, dass er am liebsten zu ihr gegangen wäre und ihr die Arme um den Hals gelegt hätte. Wollte sich ganz eng hinter sie stellen und ihr sagen, was los war. Ein für alle Mal die Lügen abwerfen und ihr wieder nah sein dürfen, ohne dass sie zwischen ihnen standen. Wann hatten sie aufgehört, miteinander zu reden? Hatten sie jemals solche Gespräche geführt, wie er und Linda es konnten? Warum war es mit ihr so leicht gewesen und mit Eva nicht, sie kannten sich doch seit fünfzehn Jahren? Sie wusste mehr über ihn als jeder andere. Er hielt es nicht länger aus, mit ihr entzweit zu sein. Sie teilten zu viele Erinnerungen. Und sie teilten Axel.
Bitte, Eva. Verzeih mir. Verzeih.
Es ging nicht. Übermenschliche Kräfte wären vonnöten gewesen, um diesem Wort Klang zu verleihen, um seine Untreue und seine Lügen zu gestehen, auch wenn Eva keinen Deut besser war. Es widerstrebte ihm, sich so zu entblößen, bevor er nicht wusste, wie sie reagieren würde, ob sie ihn abweisen würde oder nicht. Aber er musste versuchen, sich ihr anzunähern, die Zeit drängte, er musste an sie herankommen, bevor es zu spät war. Bevor sie sich umdrehte und ihren Entschluss aussprach.
»Ich hatte Sehnsucht nach dir.«
Sie drehte sich nicht um, aber ihre Hand verharrte auf halbem Weg zwischen Spülbecken und Vase. Er hörte, wie ungewohnt seine Worte klangen. Als ob sogar der Raum verblüfft wäre. Es war so lange her, dass etwas Ähnliches zwischen diesen Wänden gesagt worden war, und er überlegte selbst, ob es stimmte. War es Sehnsucht nach ihr, was er empfunden hatte? Im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, das war es. Sehnsucht nach ihrer Loyalität.
»Während ich weg war, habe ich nachgedacht, wie du mir geraten hast, und ich würde dich gern um Entschuldigung bitten, weil ich in der letzten Zeit so mürrisch war. Und ich habe über die Islandreise nachgedacht, die du gebucht hast. Ich möchte wirklich gerne, dass wir beide dorthin fahren.«
Ihre Hand hatte den Weg vom Spülbecken bis zur Vase fortgesetzt.
»Die habe ich storniert.«
»Dann buchen wir eine neue. Ich kann das machen.«
Eifrig. An der Grenze zur Verzweiflung. Ein wilder Versuch, die feindlichen Linien zu durchbrechen, eine erste Antwort zu erringen, die ihm andeutete, wohin sie unterwegs waren. Und er verabscheute es, wieder einmal ihrem Willen, ihren Entscheidungen ausgeliefert zu sein. Innerhalb von einer Sekunde hatte er sich angepasst und war aller Tatkraft beraubt, die er im letzten halben Jahr an sich entdeckt hatte.
Das Telefon klingelte. Sie war schneller, obwohl er näher dran war. Er hatte gezögert, weil er fand, dass sie es klingeln lassen sollten.
»Eva.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, als sie hörte, wer es war. Als wäre sie beinahe ertappt worden.
»Ich bin noch nicht dazu gekommen, kann ich dich später zurückrufen?«
Wozu nicht gekommen?
»Gut, das mache ich. Bis dann.«
Sie legte auf.
»Wer war das?«
»Mein Vater.«
Log, ohne ihn dabei anzuschauen. Das war er gewesen. Der andere.
Irgendwie musste er aus seiner unterlegenen Position herauskommen. Er war derjenige, der in der letzten Zeit mürrisch gewesen war, sie würde sich weiterhin in aller Ruhe hinter ihrem Recht verstecken, die Verletzte und Unzugängliche zu mimen, vor der er zu Kreuze kriechen musste. Wie brachte er nur ein Geständnis aus ihr heraus? Er durfte ihr keine Vorwürfe machen, sonst wäre sie alarmiert und hätte einen guten Grund zurückzuschlagen, nein, er musste sie dazu bringen, sich selbst zu offenbaren.
Sie hatte sich wieder den Rosen zugewandt, obwohl sie bereits alle wohl geordnet in der Vase standen.
Er entschloss sich zu einem gewagten Vorstoß. Irgendeine Reaktion würde er schon bewirken.
»Ich soll dich übrigens von Janne grüßen.«
»Aha. Wie geht es ihnen denn?«
»Gut. Er hat gesagt, er hätte dich vor einer Weile in einem Bistro gesehen.«
»Aha.«
»Du hast ihn wohl nicht bemerkt. Er machte einen Scherz über das Frischfleisch, mit dem du dich verabredet hattest.«
»Frischfleisch?«
»Ja, du warst
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