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Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Appenzell gilt der im Buchenwald wachsende Schirmblütler seit jeher als Allheilmittel. Auf jeden Fall schwören sie darauf, dass Blatt und Wurzel bei inneren Blutungen, äußeren Wunden, bei Bauchweh, als Hustenstiller und Knochenheiler hervorragend wirken.
    „Wer Günsel und Sanikel hat, schlägt den Wundarzt mit einem Patt“, besagt ein Schweizer Sprichwort. Das aromatische Blatt, das in seiner Form leicht mit dem Kriechenden Hahnenfuß verwechselt werden kann, wird im Frühling gesammelt und dann für den späteren Gebrauch getrocknet.
    Schafgarbe
    Die Schafgarbe ist eine meiner Lieblingspflanzen, ein echter grüner Verbündeter, wie es die Indianer sagen würden. Manche Schnittwunde und Entzündung hat sie uns geheilt, manche Bauchschmerzen gelindert, manche Grippe und Erkältung abgekürzt. Eine lästige Prostataentzündung hat sie mir ausgeheilt, indem ich täglich heiße Schafgarbensitzbäder nahm. Die Schafgarbe enthält ätherische Öle, die krampflösend, entzündungshemmend und keimhemmend wirken. Als Teeaufguss und Sitzbad eignet sich der schöne Korbblütler, im Hochsommer in voller Blüte geerntet, ausgezeichnet bei Frauenleiden wie etwa Menstruationsbeschwerden, Weißfluss oder Unterleibskrämpfen. „Schafgarbe im Leib tut wohl jedem Weib“, sagt der Volksmund.
    Das Heilkraut enthält zudem Bitterstoffe, die Leber, Galle und Darm tonisieren und überhaupt gut für die Verdauung sind. Inzwischen hat die Forschung bestätigt, dass die Schafgarbe auch eine antivirale Wirkung hat.
    Auf jeden Fall kommt die Schafgarbe mit in das Heilkräuterbüschel, das wir jedes Jahr zwischen Mittsommer und August zusammenstellen. Diese uralte vorchristliche Tradition hat auch die Kirche in ihren Ritus integriert und segnet die Kräuterbüschel, die am Hohen Frauentag, dem 15. August, von den Frauen in Bayern in die Kirchen getragen werden.

Urbarmachung
    Im ersten Winter kam der Schnee erst spät. Es schneite so viel, dass wir den Hof mehrere Monate lang nicht verlassen konnten. Wir brauchten schon einen halben Tag, um zumindest die drei Kilometer bis hinunter zum Briefkasten an der Hauptstraße zu kommen. Mehr als einmal im Monat schaffte ich es nicht, mir den Weg durch den tiefen Schnee zu bahnen. Eilbriefe oder Telegramme hätten keine Chance gehabt, rechtzeitig gelesen zu werden. Wenn der Ostwind wehte, zog es eisig durch die Fensterritzen, aber in der Küche am Herd war es warm. Glücklicherweise reichte das Holz.
    Unsere kalten Strohbetten wurden jedoch allmählich zum Problem. Die Gelenke taten weh, rheumatische Beschwerden quälten uns. Erste Hilfe leisteten eine heiße Wärmflasche und das Einreiben mit rotem Johannisöl.
    Anfang April hüpften plötzlich Frösche über den alten Schnee, um dann im Tümpel hinter dem Haus fröhlich quakend und brummend ihre Hochzeit zu feiern. Raben saßen auf den Tannen, schauten zu und warteten auf den Froschlaich. In den sonnigeren Lagen zog sich die weiße Decke schon von den Matten zurück und gab den Weg frei für einen zarten grünen Schimmer. Die kleinen, runden, fleischig glänzenden Blätter des Scharbockskrauts waren das erste richtig saftige Grün. Scharbock ist der alte Name für Skorbut. Die Blättchen wurden in früheren Zeiten gegessen, um den bösen Wintergeist, den Scharbock, aus den Gliedern zu vertreiben, der die Gaumen bluten lässt, die Haut blass und unrein macht und den Menschen mit bleierner Müdigkeit – Frühjahrsmüdigkeit – überfällt. Auch wir hatten nach magerer Winterkost dieses Vitamin-C-reiche Grün bitter nötig.
    „Ohne Kenntnis der Wildkräuter hätten wir damals in den ersten Jahren auf der Niederalp nicht überlebt, weil wir uns keinen Arzt leisten konnten.“

    Das Scharbockskraut gehört zu den allerersten Frühlingskräutern, die ihre zarten Blätter nach dem letzten Schnee hervorstrecken. Sie sind Teil unseres Frühlingssalats, der uns Vitamine und Sonnenkraft schenkt.
    Die „grüne Neune“
    Es dauerte nicht viel länger, dann zeigten sich die ersten purpur-grünen Triebe der Brennnesseln. Auch diese stecken voller Kraft und regen den frühjahrsmüden Stoffwechsel und die Drüsen an. In weiteren Schüben erschienen immer mehr Pflanzen, die sich als Frühjahrsgemüse, als Suppen- und Salatkräuter eignen. Für die alten indigenen Waldvölker Nordwesteuropas, die Kelten, Germanen, Balten und Slawen, waren diese Kräuter die „grüne Neune“, eine Kultspeise – sie verwendeten eine Kombination von neun verschiedenen Arten,

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