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Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Der „weiße Riese“, wie die Einheimischen den Winter nennen, würde in all seiner Unerbittlichkeit bestimmt kommen. Ende September werden die Rinder abgeholt oder ins Tal getrieben, wo sie bei ihren Bauern in den gemütlichen Stall kommen. Kurz danach, irgendwann im Oktober, fällt der erste Schnee. Der taut zwar wieder weg, aber ab November bleibt er meistens liegen. Im Februar und März ist die geschlossene Schneedecke dann einen bis anderthalb Meter, gelegentlich sogar zwei Meter hoch. Da freut man sich, wenn die Stube schön warm ist. Im April fällt meistens der letzte Schnee. Der letzte Schneehaufen vor dem Haus, der Rest der Dachlawine, taut so um den 1. Mai herum weg. Das sind fast sechs Monate Winter; da braucht man viel Brennholz. Und das Holz sollte erst einmal zwei bis drei Jahre in der Scheune lagern, damit es richtig trocken wird. Wenn das Holz noch zu feucht ist, erzeugt es beim Verbrennen nicht so viel Wärme und es verrußt den Schornstein.
    Glücklicherweise hatten wir den alten, verrosteten Ford Transit behalten. Mit ihm konnten wir Fichten- und Buchenäste und andere Holzreste einsammeln, die die Holzfäller und Waldarbeiter liegen gelassen hatten. Ich hätte keine Lust gehabt, lebende Bäume umzuhauen, auch schon aus Respekt vor diesen wunderbaren Lebewesen. Aber das brauchte ich gar nicht, immer waren genügend „Abfälle“ vorhanden. Das Zersägen und Aufschichten der Bengel und das Spalten der Klötze nahm viel Zeit in Anspruch, zumal ich nur eine Schwedensäge und eine Axt für diese Arbeit zur Verfügung hatte. Als der Förster sah, wie ich mich abmühte, bekam er Mitleid. Er schenkte mir eine aus dem Forstbetrieb ausrangierte, mordsschwere Stihl-Motorsäge und zeigte mir zugleich, wie man die Kette mit einer Feile schärft. Carlo, ein Künstlerfreund, der im Tal wohnte und schwere Zeiten hinter sich hatte, schenkte uns eine alte Kreissäge, die er selber zusammengebaut hatte. „Ohne die könnt ihr hier nicht überleben“, sagte er aus eigener Erfahrung, und er hatte recht.
    Holzscheite zurechtzusägen und Holzklötze zu spalten, ist für mich weniger Arbeit als Meditation. Jedes Holz riecht anders, brennt anders und erzeugt eine andere Hitze. Besonders beim Spalten merkt man, ob man seelisch „gut drauf“ und innerlich zentriert ist oder nicht. Ist man das nämlich nicht, dann sperrt sich das Holz oder man haut mit der Axt daneben. Es ist dann besser, aufzuhören, weil die Gefahr, sich zu verletzen, recht hoch ist. Und weil wir weder einen Arzt kannten noch eine Krankenversicherung hatten, wollten wir das unbedingt vermeiden.

    Holunderbeeren finden wir reichlich am Waldrand. Daraus kochen wir Holunderkompott, bereiten Saft und trocknen die abgezupften Beeren für den Winter. Sie enthalten reichlich Vitamine, die uns vor Erkältungen bewahren.
    Beeren sammeln wie die Indianer
    Das Wildobst und die Beeren, die Spätsommer und Herbst uns schenkten, waren eine willkommene Zukost. Die Steinpilze, Pfifferlinge und Maronen empfanden wir als ein wahres Gottesgeschenk, auch wenn in diesen Jahren kaum jemand Pilze sammelte, weil alle noch unter dem Schock des Tschernobyl-Desasters standen. Bekanntlich nehmen Pilze radioaktive Elemente auf, wie Strontium, die sich im Körper ansammeln und krebserregend wirken können. Wir wollten und konnten aber auf diese Leckerbissen trotzdem nicht verzichten.
    Schon in der Steinzeit haben es die Menschen den Bären nachgemacht und im Herbst Beerenobst und Wildfrüchte gesammelt. Die Bären haben die süßen Früchte natürlich gleich gefressen, die Menschen haben versucht, so viele wie möglich getrocknet aufzubewahren. Die Indianer im Westen der USA und in den Rocky Mountains machten sogenannten Pemmikan aus verschiedenen Beerenarten (Felsenbirne, Traubenkirsche, Johannisbeere, Heidelbeere, Preiselbeere, Apfelbeere, Büffelbeere und andere), indem sie die Beeren an der Luft trockneten, dann zu Pulver mahlten, mit Büffelfett, Elch- oder Hirschtalg, Knochenmarkfett und zerriebenem Trockenfleisch zusammenkneteten und daraus dünne Fladen formten. Zwischen die Lagen der aufeinandergestapelten flachen Kuchen streuten sie die zerriebenen aromatischen Blüten der Strahlenlosen Kamille, um Mehltau- oder Pilzbefall zu verhindern. Der Pemmikan, das Winterkraftfutter, wurde anschließend in Wildledersäcken aufbewahrt.
    Der Natur anpassen
    Diese Konservierungsmethode war mir schon durch meine Begegnung mit den Cheyenne bekannt, aber wir haben kein Pemmikan

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