Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
nach oben führt. Kanadische Goldrute setze ich mir in den Garten, denn ab und zu spüre ich meine Nieren. Bin ich etwa schon am Ende meiner Kräfte oder habe ich einfach zu kalt gelegen? Auf jeden Fall ist das die beste Nierenmedizin.
Gelegentlich kommt der alte Bergbauer Hans, der nächstgelegene Nachbar, vorbei. Leider können wir ihm kein Bier anbieten, da wir keins haben, nur ein Glas Wasser. Er erzählt aus seinem Leben, erzählt, dass er als Neunjähriger verdingt wurde, um als Knecht bei einem Großbauern zu arbeiten. Zäh wie Leder ist er; sein Leben lang war er Waldarbeiter und betrieb daneben einen kleinen Bergbauernhof, mit zwei, drei Kühen und ein paar Hühnern. Er weiß, wo die Hirsche ihre Geweihe abwerfen – er schnitzt Knöpfe daraus, die er an die Trachtenschneider verkauft –, und kennt auch die besten Pilzplätze. Natürlich verrät er sie uns nicht. Man soll sie selber finden, meint er. Dafür gibt er gute Ratschläge für Überlebenskünstler: „Jedes Mal, wenn du nach Hause zurückkommst, musst du etwas mitbringen, egal was: einen Ast als Feuerholz, etwas Reisig, Heilkräuter, ein paar Äpfel, eine Handvoll Beeren oder was auch immer.“
Ich halte mich bis heute daran. Meistens sind es Fichtenäste, die ich mit nach Hause schleppe. Auch uns bringt der alte Bergbauer manchmal etwas mit: Bärlauchzwiebeln, die wir dann neben dem Haus einsetzen, oder ein Hopfenpflänzchen, dessen Triebe man im Frühling als Hopfenspargel essen kann.
Schwarztee gegen Erdwespen
Der Herbst schenkt immer reichlich Beeren, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Einmal waren wir in einem alten Kahlschlag beim Brombeersammeln. Der Kleine spielte zufrieden unter den Bäumen bei einer Quelle. Plötzlich aber schrie er wie am Spieß. Als wir uns durch die stachligen Ranken gekämpft hatten, sahen wir, dass er auf einem Erdwespennest stand. Die zornigen Insekten umschwirrten ihn. Instinktiv riss meine Frau die Windeln von dem Kind und packte ihn in den kühlen Schlamm bei der Quelle. Wir rannten mit ihm im Arm zum Haus. Das war fast einen Kilometer entfernt. Was konnten wir tun? Krampfhaft versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Gerbstoff! Ja, Gerbstoff bindet Toxine, flockt sie aus. Eichenrinde. Essigbaumbeeren. Haben wir so etwas? Nein, verdammt! Aber dann fiel mir der Schwarztee ein. Davon hatten wir noch eine ganze große Packung.
Als wir zu Hause ankamen, war unser Sohn schon ganz aufgeschwollen. So schnell wie damals haben wir noch nie ein Feuer gemacht und Teewasser zum Kochen gebracht. Die ganze Packung Tee haben wir gekocht, mit ins Badewasser in die Zinksitzwanne hineingegeben und den Jungen in die Wanne gesteckt. Er schrie heftig, aber nach dem Bad ging die Schwellung zurück und wir konnten die Stiche zählen. 22 waren es. Würde die kleine Leber das Gift verarbeiten können? Nach drei Tagen spielte er wieder und war wohlauf. Und als der alte Bergbauer Hans kurz darauf vorbeischaute und wir ihm das erzählten, war sein einziger Kommentar: „Was, und der Bua lebt noch?“
Im dritten Jahr war der Garten so weit in Schuss. Zwar hatten sich die Drahtwürmer vermehrt, diese hartschaligen gelben Larven der Saatschnellkäfer, die im Boden an den Wurzeln fressen und die Kartoffeln und Karotten durchlöchern. Aber das war irgendwie zu erwarten, denn diese Würmer treten häufig als Folge des Umbruchs von Rasen oder Brachland auf. Mit guter Kompostwirtschaft verschwinden sie dann auch wieder.
Mit dem Kompost, der ja das Geheimnis eines erfolgreichen Gemüsegartens ist, haben wir auch gleich angefangen. Unkraut, Küchenabfälle, Schlamm vom Tümpel, der sowieso zu verlanden drohte, Asche vom Herd, Ruß vom Schornstein, Kuhfladen – alles, was wir beschaffen konnten, wurde kompostiert.
Der Fürst, von dem wir das Gehöft gemietet hatten und dem der Berg samt Alp gehörte, stellte mich als Hirten für die Schumpe an. So wird das Jungvieh genannt, das die Bauern für den Sommer auf die hohe Weide bringen. Als Gegenleistung brauchten wir im Sommer keine Miete zu zahlen. Da ich Kühe liebe, hat es mir großen Spaß gemacht, mich um sie zu kümmern. Nach kurzer Zeit kannten sie mich auch und wurden zutraulich. Man brauchte nur zu jodeln und sie kamen angerannt und ließen sich auf die nächste Weide treiben. Im Unterstand, der den Rindern an heißen Tagen etwas Schatten gewährte, konnte ich dann Kuhfladen für den Kompost sammeln.
Holzmachen
Im Herbst war es dann Zeit, Holz aus dem Wald zu holen.
Weitere Kostenlose Bücher