Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
hergestellt. Die Wildfrüchte, die wir nicht gleich verzehrten, machten wir als Marmelade oder Saft haltbar. In der trockenen Luft, wie sie in der westlichen Prärie oder in den Rocky Mountains herrscht, ist es kein Problem, Wildobst oder Fleisch im Freien zu trocknen oder gemütlich in Tipi-Zelten zu leben. Im nasskalten Klima des Allgäus ist das unmöglich. Im Tipi würde es von den Zeltstangen tropfen und die Zeltplane würde verschimmeln, das Beerensammelgut vergammeln und das Fleisch würde faulen und von Maden befallen werden. Man muss sich eben der Natur der Umgebung anpassen, in der man gerade lebt.
Wir haben unser Wildobst lieber nahe beim Ofen oder über dem Herd in luftigen Netzen getrocknet. Um die Holunderbeeren zu trocknen, spannten wir Bindfäden unter der Zimmerdecke und hängten die Doldenrispen mit den schwarzen Beeren daran auf. Wir haben, wie wir es bei den Bauern im Emmental gelernt hatten, Apfelschnitz und Dörrobst hergestellt. Die kleinen Schnapsbirnen, die in der Nähe des Hofes verwildert wuchsen und frisch praktisch ungenießbar sind, weil sie zusammenziehend wirken, schmecken getrocknet recht gut und süß. Eingeweckt haben wir nichts. Der Tag hat nur eine begrenzte Zahl von Stunden. Auch konnten wir uns die Weckgläser einfach nicht leisten oder sie auf den Berg hinaufschleppen.
Der Fuchsbandwurm geht um
Viele von den Medien aufgeklärte oder, besser gesagt, aufgeschreckte Menschen vermeiden Wildfrüchte, insbesondere Walderdbeeren, Heidelbeeren und Himbeeren, auch Pilze, Bärlauch und andere Wildkräuter, aus Angst vor dem sogenannten Fuchsbandwurm. Der Gedanke daran hatte auch mich beunruhigt, vor allem weil es auf dem Berg viele Füchse gab und weil wir selber Kinder haben, die sich, wie alle normalen Kinder, mit Freude auf die süßen Leckerbissen stürzten. Als ich mit dem bekannten amerikanischen Arzt Dr. Andrew Weil einmal darüber sprach, sagte er: „Dass Fuchsbandwurmeier vom Maul eines Fuchses auf Waldbeeren übertragen werden, ist bloß eine theoretische Möglichkeit. Es ist aber kein einziger solcher Fall nachgewiesen. Wenn das so ein großes Problem wäre, dann würden auch alle Hunde befallen sein. Hunde und Füchse sind ja nahe verwandt, sie gehören zur selben Gattung, zu den Kaniden. Die Köter probieren ja gerne den Kot anderer Tiere, um herauszufinden, was diese gefressen haben oder was auch immer. Da wäre doch jeder Hundebesitzer, jeder, der einen Hund streichelt oder von einem abgeleckt wird, gefährdet. Ich würde getrost weiterhin Walderdbeeren und Heidelbeeren essen. Freut euch doch, dass die anderen keine Beeren mehr sammeln, dann habt ihr alles für euch selber!“
Andrew Weil hatte recht. Der Fuchsbandwurm ist äußerst selten. In ganz Deutschland werden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts rund 19 Fälle pro Jahr gemeldet. Häufig sind die Betroffenen Jäger, die Füchse präparieren und ihnen das Fell abziehen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Sechser im Lotto zu haben oder von einem Blitz getroffen zu werden, ist weit höher, als vom Fuchsbandwurm befallen zu werden. Wie ein Biologe kürzlich meinte: „Den Fuchsbandwurm kann man ins Reich der Fabel verweisen, wie etwa das Einhorn.“ Der Mensch ist kein eigentlicher Wirt dieses Wurms, und ein funktionierendes Immunsystem wehrt ihn ab.
Fruchtfolgen
Ein Jahr folgte dem anderen im unerbittlichen Rhythmus der Jahreszeiten. Jedes Jahr ist einmalig, und dennoch ist es immer derselbe Rhythmus. Ende April, Anfang Mai taut bei uns der letzte Schneerest vor dem Haus. Nun heißt es keine Zeit zu verlieren: Acker bestellen, Beete umgraben und neu ausmessen. Möhren, Schwarzwurzel, Haferwurzel, Rettiche, Radieschen, Fenchel, Erbsen, Favabohnen und alle anderen frostverträglichen Saaten einbringen. Die frostempfindlichen Saaten und Setzlinge können noch warten. Besonders wichtig ist es, die Fruchtfolgen einzuhalten und auf sinnvolle Pflanzengemeinschaften zu achten, sodass man jene Pflanzen, die gut nebeneinander gedeihen, zusammen ins Beet bringt.
Fruchtfolgen ahmen im Grunde genommen nach, was im natürlichen Ökosystem von selbst geschieht. Sukzession nennen es die Biologen. Wenn Sturm, Überschwemmungen oder Erdrutsche den Erdboden bloßlegen, dann erscheinen plötzlich die sogenannten Pionierkräuter. Das sind meistens schnell keimende, schnell wachsende und schnell zur Samenreife kommende ein- oder zweijährige Wildkräuter. Sie erzeugen Unmengen von Samen. Viele unerwünschte Gartenwildkräuter gehören
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