Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
„Nun, meinetwegen! Mach, was du willst“, war die lapidare Antwort.
Als ich dann anfangen wollte umzugraben, merkte ich, dass der Boden äußerst mager war. Neben der Fläche fand sich ein breiter, vier Meter hoher, von Wildkräutern bewachsener Haufen bester Muttererde, dunkel und humusreich.
Ich fragte Leonard danach. „Ja, ja“, antwortete er, „auf der Fläche wuchsen so viele verdammte Unkräuter, da habe ich eine Planierraupe geholt und das Dreckszeug weggeschoben. Es soll ja ordentlich aussehen!“
Bei einem befreundeten Bio-Gärtner borgte ich eine Schubkarre und karrte die dunkle, humusreiche Erde von dem unbeabsichtigten Erdkompost wieder auf die Fläche. Als ich damit fertig war, bestellte ich eine ganze LKW-Ladung Pferdemist und ließ ihn neben dem künftigen Gemüsegarten abladen.
Als Leonard am Abend von der Arbeit kam und den dampfenden Misthaufen auf seinem Grundstück sah, holte er eine Marlboro aus der Hemdtasche, zündete sie an, nahm einen tiefen Lungenzug und sagte, indem er den Qualm ausstieß: „Shit!“
Er war wütend. Pferdescheiße! Wie eklig! Das würde stinken, Fliegen und Krankheiten anziehen! Das müsse weg.
Ich versuchte ihn zu überzeugen, dass der Dung, wenn er sorgfältig kompostiert würde, weder stinke noch Ungeziefer anziehe. Außerdem habe er doch gesagt, dass ich da freie Hand hätte. Widerwillig gab er nach.
Der Pferdemistkompost, sorgfältig aufgesetzt und mit einem Erdmantel versehen, zersetzte sich schnell. Kein störender Geruch, keine Fliegen. Während der langen warmen Saison, wie sie für Süd-Oregon im Sommer typisch ist, gediehen die Gemüse, als seien sie von Zauberhand geführt. Bald schon war der Kompost so weit, dass ich ihn als Kopfdüngung verwenden konnte. Kohl, Tomaten, Kürbisse, Auberginen und alles andere gedieh so prächtig, dass die Leute an der Straße, auch die Studenten, staunend und bewundernd stehen blieben.
Um Leonard und Jane zu danken, dass sie uns erlaubt hatten, einen Garten anzulegen, füllten wir einen großen Erntekorb für die beiden. Die schönsten Gemüse, frische rote Tomaten, orange Karotten, violette Eierfrüchte, weißer Blumenkohl, grünes Blattgemüse und ein bunter Blumenstrauß kamen hinein. Beim Wettbewerb um den schönsten Erntekorb hätte unser Präsent sicherlich den ersten Preis gewonnen.
Wir klopften an die Tür des großen Wohnwagens. Als Jane öffnete, reichte ich ihr stolz die schönen Früchte unserer Arbeit. Nervös zündete sie sich eine Zigarette an und erklärte, sie könne das nicht annehmen, denn sie und Leonard achteten auf Hygiene und Gesundheit. Sie verwende lieber Gemüse aus der Dose, denn da sei es steril. In ihr Essen komme kein shit .
DER GARTEN ALS ORGANISMUS
Der biodynamische Garten von Manfred Stauffer in Genf erstreckte sich über eine Fläche von zwei Hektar. Das ist groß. Der Bauernhof der Gemeinschaft umfasste 30 Hektar Acker- und Weidefläche. Auch er wurde biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Das heißt, man folgte der Lehre Rudolf Steiners. Neben den Kompostpräparaten, die die Aufgabe haben, die Kulturpflanzen für die ordnunggebenden einstrahlenden Sternen- und Planetenkräfte empfänglich zu machen, gehört zur biodynamischen Methode, dass man den Bauernhof oder den Garten als einen „Organismus“ auffasst. Die Pflanzen gelten dabei als Ausdruck der Lebenskräfte („Ätherleib“) des Hofes, die Tiere als Ausdruck der Seelenkräfte und der Bauer und Gärtner selbst repräsentiert den Geist dieses Wesens. Alle Wesensteile – Boden, Pflanze, Tier und Mensch – bilden zusammen eine integrierte funktionelle Einheit, einen Organismus also. Der Humusboden, die verschiedenen Pflanzenarten, der Kompost, die Tiere und der Mensch sind die verschiedenen Organe dieses Organismus.
Dieser Sichtweise folgend kann es keine gesunde Landwirtschaft geben ohne eine Vielfalt verschiedener Pflanzen – sogar „Unkräuter“ haben darin ihren Platz, zum Beispiel als Heilpflanzen oder als Bodenanzeiger. An den Pflanzen, die sich auf einem Boden ansiedeln, kann man die Qualität des Bodens erkennen: ob er sauer oder basisch ist, feucht oder trocken, und so weiter. Monokulturen sind nach dieser Lehre unnatürlich und führen zum Verlust der Fruchtbarkeit.
Geschlossene Kreisläufe
Auch eine Trennung des Pflanzenanbaus von der Tierhaltung bringt nach dieser Lehre langfristig Unheil. Boden und Pflanze brauchen die „Informationen“, die durch die Ausscheidungen der Tiere vermittelt werden. Das
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