Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
gilt auch für menschliche Ausscheidungen, die zusammen mit tierischer Jauche und Mist, gut vergoren und verändert, Teil des Informationsnetzes sind.
Dieser „landwirtschaftliche Organismus“ hat geschlossene Kreisläufe. Die Tiere stellen sich auf das Futter, das auf dem Hof produziert wird, durch ihren Stoffwechsel ein, und ihre Miste und ihr Harn enthalten Impulse für den Boden, auf dem die Futterpflanzen wachsen. Konsequenterweise schließt das den Zukauf von Heu und Futter, das anderswo erzeugt wurde, aus.
Der Hof der Gemeinschaft wurde ganz in diesem Sinne betrieben. Deswegen gab es nicht nur Kühe, zehn an der Zahl, die von Hand gemolken wurden und die jede ihren eigenen Namen hatte, sondern auch einen dazugehörigen Stier. Schweine, die im Boden nach Herzenslust wühlen durften, lebten auf dem Hof, Hühner und ein stolzer Hahn, die sich überall frei bewegen konnten, Enten im Teich und Gänse auf der Wiese, und ein Pferd, das zum Eggen und Wagenziehen eingesetzt wurde. Auch einen Ziegenbock gab es, aber vor allem, weil Christoph, der Bauer, abergläubisch war: Er glaubte, dass der Teufel, wenn er in den Stall einfahre, zuerst in den Ziegenbock fahren und die anderen Tiere schonen würde.
Mit einem derart vielfältigen Angebot an Misten konnte unser Kompostmeister seine Versuche über die Wirkung verschiedener Tiermiste gut durchführen. Es stellte sich folgende Regel heraus: „Die Pflanzen oder auch der Pflanzenteil, welchen eine Tierart am liebsten frisst, wird von deren Kot gefördert und am besten gedüngt.“ Pflanzen haben keine inneren Organe – sagte Manfred; er erinnerte an Goethe, der begeisterter Botaniker war und erklärt hatte, dass Pflanzen eigentlich nur „Blatt“ sind, nur Oberfläche, dass sie nicht von innen her gesteuert werden, sondern ihre Impulse von außen, von Sonne und Mond, von den kosmischen Rhythmen, von der Atmosphäre und dem Erdboden her empfangen. In dem Sinn seien die Tiere mit ihren Misten für die Pflanzen so etwas wie nach außen verlegte Drüsen. Jede gebe den Pflanzen auf ihre Weise bestimmte Impulse.
KRÄUTERJAUCHEN UND -BRÜHEN
Kräuterjauchen sind etwas Gutes. Das habe ich in dem Supergarten von Manfred Stauffer erfahren, als ich dort als „verdeckter Ermittler“, unterwegs in Sachen ethnologischer Feldforschung, als Gärtner anfing. Wie erwähnt, gab ich mich als gärtnerisch interessiert aus – was gewissermaßen auch stimmte –, aber mein eigentliches Anliegen war eine soziologische Analyse einer kleinen Alternativgemeinschaft. Ich war damals noch sehr von mir und der Überlegenheit des Schulwissens überzeugt. Die biodynamischen Kompostpräparate und das Gerede von „ätherischen Strahlungen“ und dergleichen hielt ich für pseudowissenschaftliches Geschwafel.
Es muss in der ersten Woche gewesen sein, da entdeckte ich an den Stangenbohnen schwarze Blattläuse. Mir war klar, man musste sie vernichten, ehe sie die anderen Gemüse befielen. Ein schönes Chemiegift wäre die Lösung, dachte ich. Da ich aber wusste, dass hier biologisch und giftfrei gegärtnert wurde, holte ich meinen teuren britischen Pfeifentabak hervor – die Pfeife war damals so etwas wie ein notwendiges Accessoire eines Akademikers – und kochte eine Brühe daraus. Das giftige Nikotin würde mit den Schädlingen schon fertig werden.
Gerade als ich den Sprühkanister gefüllt hatte und auf die befallenen Bohnen losgehen wollte, kam der Gärtnermeister angerannt.
„Halt, halt! Was soll das, mein Junge?“, rief er.
„Die Bohnen haben Blattläuse, und wenn wir sie nicht gleich vernichten, dann werden sie sich über den ganzen Garten verbreiten.“
„Nein, nein, wir müssen erst einmal überlegen“, sagte er, indem er sich auf den Boden hockte, an Kopf und Kinn kratzte und einige unverständliche Worte vor sich hin murmelte.
„Was gibt’s da zu überlegen?“, sagte ich entschlossen, zeigte auf die Bohnen und dann auf meine Tabakbrühe. „Da ist das Problem, und hier ist die Lösung!“
Manfred reagierte nicht darauf. Ich fragte mich, ob er noch bei Trost war, und belehrte ihn: „Ich habe auch Biologie studiert, einschließlich einem Semester Entomologie, also Insektenkunde. Die Blattläuse können sich schlagartig vermehren. Nicht nur können sie bis zu zehn Generationen im Jahr hervorbringen, sie können sich auch parthenogenetisch vermehren, das heißt, die Weibchen können auch ohne Befruchtung Nachkommen erzeugen. Schon wenn sie geboren werden, reift in den
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