Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
Nacht gleich lang sind, befindet sich die Sonne im Tierkreisbild der Fische. Nun steigt sie weiter, durch den Widder und den Stier, und erreicht ihren höchsten Stand in den Zwillingen. Es ist Mittsommer, Johanniszeit und Sommersonnenwende. Dann geht es wieder abwärts in die niedrigen Tierkreisbilder, durch den Krebs und den Löwen zur Jungfrau. Wenn sich die Sonne in der Tierkreisregion Jungfrau befindet, dann ist Herbst-Tagundnachtgleiche. Die Nächte werden länger als die Tage. Das Pflanzenwachstum nimmt rapide ab, der Laubfall beginnt, einjährige Kräuter versamen und verwelken, das Leben zieht sich zurück in die Wurzeln und in die Erde. Die schwächer werdende Sonne durchwandert Waage und Skorpion und befindet sich danach wieder am tiefsten Punkt im Zodiakus, im Sternbild Schütze. Der Mond macht dieselbe Reise durch den Tierkreis, aber viel schneller. Anstatt ein Jahr braucht er knapp 28 Tage. Man kann das Pflanzenwachstum, das Werden und Vergehen der Vegetation ohne Verbindung zu den kosmischen Rhythmen nicht verstehen. Das hat nichts mit Glauben oder Esoterik zu tun, sondern das sind Phänomene, die man beobachten kann.
Im Februar, wenn sich die Sonne im Wassermann befindet, keimen die Samen, und der Saft in den Bäumen fängt an zu fließen. Zur Frühlings-Tagundnachtgleiche befindet sich die Sonne im Tierkreisbild der Fische. Nun grünt und sprießt es überall, und der Gärtner kann anfangen zu säen und zu pflanzen. Aber da es noch Fröste geben kann, sollte er nur die frostverträglichen Pflanzen – Kohlsorten, Kresse, Karotten, Schwarzwurzel, Rote Bete und eventuell auch Kartoffeln, die von der Erde vorläufig geschützt sind – aussäen oder setzen. Mitte Mai, wenn die Sonne das Tierkreisbild des Widders verlässt und in den Stier eintritt, kann er die wärmeliebenden Gemüse wie Tomaten, Gurken, Zuckermais, Paprika, Aubergine, Bohnen, Zucchini, Melonen und so weiter ausbringen, die keinen Frost vertragen.
Der Zeitpunkt, an dem die letzten Spätfröste vorbei sind, ist von Ort zu Ort verschieden. In hügeligen Regionen kommt es auf den Winkel der Sonneneinstrahlung an. Der Südwesthang ist wärmer und trockener als etwa der Nordosthang, wo es länger dauert, bis der Morgentau weggetrocknet ist. Im Frühling bleibt der höher gelegene Garten etwas wärmer als der im Tal, da sich nachts die kühlere Luft talwärts bewegt. Ein dunkler Humusboden erwärmt sich schneller als ein reflektierender, heller, sandiger Boden. Es gibt also keinen festen Termin im Jahr, wann die frostfreien Tage beginnen. Generell jedoch bleibt es warm, nachdem der Kuckuck gerufen hat, die Schwalben angekommen sind, das Fell der Wiesel sich wieder braun gefärbt hat, die kleinen Spinnen aus ihren Hüllen gekrochen sind und die Eschen blühen. Das ist die Sprache der Natur. Der Kirchenkalender gibt das ungefähre Datum mit den „Eisheiligen“ (12. bis 14. Mai) und der „kalten Sophie“ (15. Mai) als letztem Kälteschub an.
„So merkt man sich im Allgäu die Bauernregel von den Eisheiligen: Pankrazi, Servazi, Bonifazi, das sind die drei heiligen Bazi. Und danach fehlt nie die kalte Sophie.“
Langtagpflanzen – Kurztagpflanzen
Ebenfalls mit dem Sonnenrhythmus verbunden ist die sogenannte Fotoperiodizität. Dieses komplizierte Wort meint die Fähigkeit der Pflanzen, auf die Länge des Tageslichts zu reagieren. Die Langtagpflanzen fangen an zu blühen, wenn das Tageslicht länger als zwölf Stunden währt. Kurztagpflanzen blühen, wenn weniger als zwölf Stunden Tageslicht herrscht. Tagneutrale Pflanzen werden in ihrer Blühzeit nicht von der Tageslänge beeinflusst.
Nun wissen wir, warum Radieschen, Spinat, Salate und Lattiche in die Blüte schießen, wenn es auf den Hochsommer zugeht. Und auch warum man sie in den Herbsttagen getrost erneut aussäen oder auspflanzen kann.
In den Tropen ist es daher auch schwer möglich, Samen der Langtagpflanzen zu gewinnen, weil die Tage einfach nicht lang genug sind, um den Blühimpuls auszulösen. Sie sind eben an kältere Klimazonen angepasst. Zudem brauchen die zweijährigen Gemüse wie Kohlsorten, Rübengewächse (Rote Bete, Zuckerrübe, Mangold) und Doldenblütler (Möhren, Pastinaken, Dill) einen Kälteschock. Die Samen müssen eine Kälteperiode durchmachen, damit sie im nächsten Jahr blühen.
Auch der Tagesrhythmus der Pflanze hängt mit der Sonne zusammen, das zeigt unter anderem die Blumenuhr, die sich der große Botaniker Linnaeus in seinem Garten in Uppsala,
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