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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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die Brauen hoch. »Ich verstehe. Gefahr für die Moral, nicht fürs Leben.«
    Und jetzt, dachte Mr Sattersway, haben es die Scotts. Ob wohl auch sie…
    Schweigend legten sie den Weg zum Haus zurück. Da ihre Schritte auf dem weichen Rasen nicht zu hören waren und jeder in seine eigenen Gedanken versunken dahinschlenderte, wurden sie ungewollt Zeugen eines heftigen Wortwechsels. Sie bogen gerade um eine Ecke der Stechpalmenhecke, als Iris Stavertons Stimme laut und zornig aus dem »Verschwiegenen Garten« zu ihnen drang. »Du wirst es noch bedauern – jawohl, bedauern!«
    Scott erwiderte etwas, so leise und unsicher, dass sie ihn nicht verstanden. Und dann erhob sich wieder die Stimme der Frau, und die beiden Männer vernahmen Worte, an die sie sich später noch erinnern sollten. »Eifersucht – sie macht einen zum Teufel! Nein, sie ist der Teufel! Sie kann einen bis zum Mord treiben. Sei vorsichtig, Richard! Um Gottes willen sei vorsichtig!«
    Und dann war sie auch schon aus dem »Verschwiegenen Garten« aufgetaucht und um die Hausecke verschwunden, ohne sie zu bemerken; sie ging schnell, fast lief sie, wie eine Frau in Angst und Panik.
    Mr Sattersway fiel Lady Cynthias Bemerkung ein: eine gefährliche Frau. Zum ersten Mal stieg das Vorgefühl an eine Tragödie in ihm auf, rasch und unerbittlich. Er konnte es nicht unterdrücken.
    Doch am Abend schämte er sich über diese Ängste. Alles schien normal und angenehm zu sein. Mrs Staverton war fröhlich und sorglos und verriet kein Zeichen von Nervosität. Moira Scott war charmant und gelassen wie immer. Die beiden Frauen schienen sich gut zu verstehen. Richard selbst war in bester Laune.
    Die einzige Person, die wirklich besorgt aussah, war Mrs Unkerton. Sie vertraute sich ziemlich eingehend Mr Sattersway an.
    »Halten Sie es für verrückt oder nicht – ganz wie Sie wollen –, aber mich überläuft es eiskalt. Ich gestehe offen, ich habe nach dem Glaser geschickt. Ned weiß nichts davon.«
    »Nach dem Glaser?«
    »Damit er eine neue Scheibe in dieses Fenster einsetzt. Die Sache ist ja gut und schön, und Ned ist stolz darauf – er findet, es verleiht dem Haus das gewisse Etwas. Nur – mir gefällt es nicht. Das sage ich Ihnen rundheraus! Wir werden eine hübsche, saubere, moderne Scheibe einsetzen lassen, über die man sich keine bösen Geschichten erzählen kann.«
    »Sie vergessen«, antwortete Mr Sattersway, »oder vielleicht wissen Sie es auch nicht: Der Fleck kommt wieder.«
    »Möglich, dass dies stimmt«, sagte Mrs Unkerton. »Ich kann dazu nur feststellen, dass so etwas unnatürlich wäre.«
    Mr Sattersway hob die Brauen, schwieg aber.
    »Und selbst wenn er wiederkommt?«, fuhr Mrs Unkerton trotzig fort. »Wir sind nicht so bankrott, Ned und ich, dass wir nicht jeden Monat eine neue Scheibe kaufen könnten – oder jede Woche, wenn es notwendig sein sollte.«
    Mr Sattersway reagierte auf diese Bemerkung nicht. Er hatte zu oft erlebt, wie die Dinge vor der Macht des Geldes in sich zusammenfielen, und glaubte, dass selbst der Geist eines Adligen nicht erfolgreich dagegen ankämpfen konnte. Jedoch interessierte ihn der Umstand, dass Mrs Unkerton ziemlich nervös zu sein schien. Auch sie war nicht unempfindlich gegen die Spannung, die in der Luft lag – nur schrieb sie sie einer verblassten Geistergeschichte zu und nicht den widersprüchlichen Persönlichkeiten ihrer Gäste.
    Es war Mr Sattersways Schicksal, noch ein paar Sätze eines Gesprächs zu belauschen, die ebenfalls ein Licht auf die Situation warfen. Als er die breite Treppe zum ersten Stock hinaufgehen wollte, um sich schlafen zu legen, saßen Major Porter und Mrs Staverton in einer Nische der großen Halle. Mrs Staverton sprach mit einem leicht irritierten Unterton in ihrer warmen Stimme.
    »Ich hatte nicht die leiseste Ahnung«, sagte sie, »dass die Scotts auch hier sein würden. Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich nicht gekommen. Aber ich versichere dir, mein lieber John, dass ich jetzt, da ich schon in diesem Haus bin, nicht die Flucht ergreifen werde.«
    Mr Sattersway ging die letzten Stufen hinauf und befand sich damit außer Hörweite. Ich frage mich wirklich, überlegte er, wie viel ist eigentlich wahr? Weiß sie Bescheid? Was wird passieren?
    Grübelnd schüttelte er den Kopf.
     
    Im hellen Licht des nächsten Morgens fand Mr Sattersway, dass er die Ereignisse des vergangenen Abends doch ein wenig zu sehr dramatisiert hatte. Ein Augenblick der Anspannung… ja, sicherlich… unter

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