Der seltsame Mr Quin
einen Tag war sie eiskalt zu ihm, am nächsten war sie voller Leidenschaft. Schließlich merkte er die Wahrheit. Sie hatte ihn nie geliebt. Sie hatte ihn nur geheiratet, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Diese Wahrheit verletzte ihn, verletzte ihn entsetzlich. Er versuchte jedoch alles, um nichts davon an die Oberfläche dringen zu lassen. Und er hatte immer noch das Gefühl, dass er Dankbarkeit und Gehorsam gegenüber seinen Wünschen verdiente. Sie stritten sich. Sie machte ihm Vorwürfe – mon Dieu! Weswegen machte sie ihm nicht alles Vorwürfe!
Sie sehen bereits den nächsten Schritt, nicht wahr? Es musste einfach so kommen. Sie verließ ihn. Zwei Jahre lang war er allein, arbeitete in seinem kleinen Laden, ohne etwas von ihr zu hören. Einen einzigen Freund hatte er – den Absinth. Das Geschäft ging nicht allzu gut.
Und dann kam er eines Tages in seinen Laden, und sie saß da. Sie war sehr hübsch angezogen. Sie hatte Ringe an den Fingern. Er blieb stehen und betrachtete sie. Sein Herz klopfte – und wie es klopfte! Er war ratlos, was er tun sollte. Am liebsten hätte er sie geschlagen, in seine Arme genommen, sie zu Boden geschleudert und auf ihr herumgetrampelt, sich ihr zu Füßen geworfen! Aber er tat nichts davon. Er griff nach seinem Werkzeug und fuhr mit seiner Arbeit fort. ›Madame wünschen?‹, fragte er förmlich.
Das brachte sie auf. Damit hatte sie nicht gerechnet, verstehen Sie? ›Pierre‹ sagte sie. ›Ich bin zurückgekommen.‹ Er legte sein Werkzeug beiseite und sah sie an. ›Du willst nur, dass man dir verzeiht‹, sagte er. ›Möchtest du, dass ich dich wieder bei mir aufnehme? Bereust du ehrlich?‹
›Möchtest du mich wieder aufnehmen?‹, flüsterte sie. Oh, sehr sanft sagte sie es.
Er wusste, dass sie ihm eine Falle stellte. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen, aber dazu war er zu gescheit. Er mimte Gleichgültigkeit.
›Ich bin ein christlicher Mensch‹, sagte er. ›Ich versuche zu tun, was die Kirche anordnet.‹
›Oh!‹, dachte er, ›demütigen möchte ich sie. Demütigen, bis sie vor mir auf den Knien liegt!‹
Aber Jeanne, wie ich sie nennen will, warf den Kopf zurück und lachte. Ein bösartiges Lachen war es. ›Ich mache mich über dich lustig, kleiner Pierre‹, sagte sie. ›Sieh dir diese teuren Kleider an, die Ringe und Armbänder. Ich bin nur hergekommen, um mich dir zu zeigen. Ich dachte, ich könnte dich dazu bringen, mich in die Arme zu nehmen, und wenn du das getan hättest, dann… dann hätte ich dir ins Gesicht gespuckt und dir gesagt, wie sehr ich dich hasse!‹
Und damit verließ sie meinen Laden. Können Sie sich vorstellen, Messieurs, dass eine Frau so bösartig sein kann, dass sie nur zurückgekommen war, um mich zu quälen?«
»Nein«, sagte die Gräfin, »das kann ich mir nicht vorstellen, und jeder Mann, der kein Dummkopf ist, wird es genauso wenig glauben. Aber die Männer sind blind.«
Pierre Vaucher nahm von ihr keine Notiz. Er fuhr fort.
»Und jener junge Mann, von dem ich Ihnen erzähle, sank immer tiefer. Er trank immer mehr Absinth. Der kleine Laden musste verkauft werden. Er gehörte zum Abschaum, zur Gosse. Dann kam der Krieg. O ja, er war gut, der Krieg. Er holte den Mann aus der Gosse und lehrte ihn, kein brutales Untier mehr zu sein. Er erzog ihn und ernüchterte ihn. Er erduldete Kälte und Schmerzen und Todesangst, aber er starb nicht, und als der Krieg zu Ende ging, war er wieder ein Mann.
Damals, Messieurs, kam er in den Süden. Seine Lungen waren vom Gas angegriffen, und man riet ihm, er solle sich im Süden Arbeit suchen. Ich will Sie nicht mit den vielen Dingen ermüden, die er tat. Es genügt zu sagen, dass er schließlich Croupier wurde, und da – eines Abends, im Casino – sah er sie wieder: Jene Frau, die sein Leben ruiniert hatte. Sie erkannte ihn nicht, aber er erkannte sie. Sie machte den Eindruck, als sei sie reich, als fehle ihr nichts. Aber, Messieurs, die Augen eines Croupiers sind scharf. Es kam ein Abend, als sie das Allerletzte, was sie besaß, beim Spiel setzte. Fragen Sie nicht, woher ich es wusste; ich wusste es. Man spürt so etwas. Andere mögen es meinetwegen nicht glauben. Sie trug immer noch teure Kleider. Vielleicht fragt so mancher, warum sie sie nicht verpfändete? Wenn man so etwas tut, dann hat man sofort keinen Kredit mehr. Ihre Juwelen? O nein. War ich früher nicht einmal selbst Juwelier gewesen? Vor langer Zeit waren die echten Juwelen verschwunden. Stück für Stück
Weitere Kostenlose Bücher