Der seltsame Mr Quin
bedeutende Leute. Und die Herzogin von Leth war von altem Adel. Sie war die Tochter eines Herzogs und auch die Frau eines Herzogs.
Abgesehen davon war sie eine ziemlich unansehnliche alte Dame mit einer Menge Borten aus schwarzen Perlen an ihren Kleidern. Sie besaß viele Diamanten in altmodischen Fassungen und trug sie genauso, wie ihre Mutter sie zu tragen pflegte: Irgendwo ans Kleid gesteckt. Böse Zungen behaupteten, sie stelle sich einfach mitten ins Zimmer und lasse sich von ihrer Zofe mit Broschen bewerfen. Sie spendete großzügig für wohltätige Zwecke und kümmerte sich um ihre Mieter und Angestellten, doch bei kleinen Summen konnte sie sehr knausrig sein. Sie schnorrte bei ihren Freunden Autofahrten und kaufte nur Sonderangebote.
Die Herzogin hatte eine Schwäche für Korsika. Cannes langweilte sie, und sie hatte wegen des Zimmerpreises eine heftige Auseinandersetzung mit dem Hoteldirektor gehabt.
»Und Sie kommen mit, Sattersway«, erklärte sie entschieden. »Bei unserem Alter brauchen wir uns wegen eines Skandals keine Sorgen zu machen.«
Mr Sattersway war leicht geschmeichelt. Noch nie hatte jemand in Verbindung mit ihm von einem Skandal gesprochen. Er war viel zu unbedeutend. Ein Skandal und dazu eine Herzogin – großartig!
»Malerisch, wissen Sie«, sagte die Herzogin. »Straßenräuber – all so was. Und äußerst billig, habe ich gehört, Manuelli war heute Morgen wirklich sehr unverschämt! Diese Hotelbesitzer müssen in ihre Schranken verwiesen werden. Sie können nicht erwarten, dass auch gute Gäste kommen, wenn sie so weitermachen. Ich habe ihm das klar und deutlich gesagt.«
»Ich glaube«, sagte Mr Sattersway, »man kann sehr bequem hinfliegen. Von Antibes aus.«
»Das wird ganz hübsch was kosten!«, antwortete die Herzogin bissig. »Stellen Sie das mal fest!«
»Selbstverständlich, Herzogin.«
Mr Sattersway war immer noch ganz aufgeregt und dankbar, trotz der Tatsache, dass er eindeutig die Rolle des hoch gelobten Laufburschen spielen sollte.
Als die Herzogin den Preis für die Reise mit dem av i on hörte, verwarf sie den Einfall prompt. »Die sollen ja nicht glauben, dass ich eine solche unerhörte Summe zahle, um in so ein ekelhaftes gefährliches Ding zu steigen.«
Deshalb fuhren sie mit dem Schiff, und Mr Sattersway durchlebte zehn Stunden höchsten Unbehagens. Da es um sieben Uhr ablegen sollte, hielt Mr Sattersway es für selbstverständlich, dass das Abendessen an Bord serviert werden würde. Doch es gab kein Abendessen. Das Schiff war klein und das Meer unruhig. Mehr tot als lebendig wurde Mr Sattersway in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages in Ajaccio an Land gesetzt.
Die Herzogin dagegen war frisch und munter. Unbequemlichkeiten machten ihr nichts aus, solange sie dadurch Geld sparte. Sie war von dem Anblick des Hafens, den Palmen und dem Sonnenaufgang begeistert. Anscheinend war die ganze Bevölkerung zusammengeströmt, um die Ankunft des Schiffes mitzuerleben, und das Anlegen der Gangway wurde mit aufgeregten Rufen und Ratschlägen begleitet.
»Meine Zofe war die ganze Nacht seekrank«, sagte die Herzogin. »Das Mädchen ist eine dumme Gans.«
Mr Sattersway lächelte dünn.
»Ich nenne so etwas Verschwendung von gutem Essen«, fuhr die Herzogin robust fort.
»Hat sie denn etwas zu essen bekommen?«, fragte Mr Sattersway neidisch.
»Ich hatte zufällig ein paar Kekse und eine Tafel Schokolade mitgenommen«, antwortete die Herzogin. »Als ich merkte, dass wir kein Abendessen bekommen würden, habe ich ihr das Zeug gegeben. Die niederen Stände regen sich immer so auf, wenn sie mal nichts zu essen kriegen.«
Unter triumphierenden Schreien der Menge wurde die Gangway endgültig festgemacht. Ein Chor abenteuerlicher Gestalten wie aus einer musikalischen Komödie stürzte an Bord und entrissen Passagieren das Handgepäck.
»Kommen Sie schon, Sattersway«, sagte die Herzogin. »Ich brauche ein Bad und Kaffee.«
Genau wie Mr Sattersway. Doch es war ihm kein voller Erfolg beschert. Im Hotel empfing sie ein beflissener Direktor, und sie wurden auf ihre Zimmer geführt. Das der Herzogin hatte ein Bad. Mr Sattersway dagegen wurde ein Badezimmer gezeigt, das dem Anschein nach zum Schlafzimmer eines andern Gastes gehörte. Um diese frühe Morgenstunde bereits warmes Wasser zu erwarten, war vermutlich unvernünftig. Später trank er unglaublich schwarzen Kaffee, der in einer Kanne ohne Deckel serviert wurde. Die Fensterläden und das Fenster seines Zimmers
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