Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
waren geöffnet worden, und die frische Morgenluft strömte herein. Ein Tag von atemberaubendem Blau und Grün.
    Der Kellner wies mit einer pathetischen Geste auf die Aussicht.
    »Ajaccio«, sagte er feierlich. »Le plus beau port du monde!«
    Damit verschwand er.
    Während Mr Sattersway über die weite blaue Bucht blickte mit den schneebedeckten Bergen dahinter, war er beinahe geneigt, ihm Recht zu geben. Er trank seinen Kaffee aus, legte sich auf das Bett und schlief sofort ein.
     
    Beim Mittagessen war die Herzogin in bester Laune.
    »Es ist genau das, was Sie brauchen, Sattersway«, sagte sie. »Das wird Sie von Ihren altjüngferlichen kleinen Angewohnheiten ablenken.« Sie musterte den Raum durch ihr Lorgnon. »Sieh mal an! Dort drüben ist Naomi Carlton-Smith!«
    Sie deutete auf ein Mädchen, das allein an einem Fenstertisch saß. Sie hatte runde Schultern, flegelte sich in ihren Stuhl und trug ein Kleid, das aus einer Art braunem Sack gemacht zu sein schien. Das schwarze Haar war schlecht geschnitten.
    »Eine Künstlerin?«, fragte Mr Sattersway.
    Er hatte eine besondere Begabung, die Leute einzuschätzen.
    »Stimmt genau«, antwortete die Herzogin. »Jedenfalls bezeichnet sie sich so. Ich wusste doch, dass sie sich in irgendeiner seltsamen Gegend der Erde herumtreibt. Arm wie eine Kirchenmaus, stolz wie der Teufel und verrückt wie alle Carlton-Smiths. Ihre Mutter ist meine Kusine.«
    »Dann gehört sie zu der Knowlton-Sippe?«
    Die Herzogin nickte.
    »Sie hat sich selbst am meisten geschadet«, erzählte die Herzogin bereitwillig. »Dabei ist sie ein so kluges Mädchen. Sie ließ sich mit einem höchst verdächtigen jungen Mann ein. Er lebte in Chelsea und schrieb Theaterstücke oder Gedichte oder so etwas Ungesundes. Natürlich wurden sie nirgends angenommen. Dann klaute er irgendwelchen Schmuck und wurde dabei erwischt. Ich weiß nicht mehr, was man ihm aufgebrummt hat. Fünf Jahre, glaube ich. Sie erinnern sich sicherlich. Es passierte letzten Winter.«
    »Da war ich in Ägypten«, erklärte Mr Sattersway. »Ich hatte Ende Januar eine sehr schlimme Erkältung, und die Ärzte bestanden darauf, dass ich mich in Ägypten erholte. Ich habe eine Menge verpasst.«
    In seiner Stimme schwang ein bedauernder Unterton mit.
    »Das Mädchen scheint Kummer zu haben«, sagte die Herzogin und zückte wieder ihr Lorgnon. »Da werde ich etwas unternehmen.«
    Beim Hinausgehen blieb sie bei Miss Carlton-Smith’ Tisch stehen und klopfte dem Mädchen auf die Schulter. »Nun, Naomi, erinnerst du dich nicht mehr an mich?«
    Zögernd erhob sich Naomi. »Doch, ich erinnere mich, Herzogin. Ich sah Sie hereinkommen. Aber ich hielt es für sehr wahrscheinlich, dass Sie mich nicht wiedererkennen würden.«
    Sie zog die Worte faul in die Länge, ohne sich darum zu kümmern, ob es unhöflich wirkte oder nicht.
    »Wenn du mit dem Essen fertig bist, komm zu mir auf die Terrasse«, befahl die Herzogin.
    »Ja.«
    Naomi gähnte.
    »Unglaubliches Benehmen«, bemerkte die Herzogin im Weitergehen zu Mr Sattersway. »Typisch für alle Carlton-Smiths.«
    Draußen in der Sonne tranken sie ihren Kaffee. Sie hatten noch keine sechs Minuten dagesessen, als Naomi Carlton-Smith aus dem Hotel gebummelt kam und auf sie zuschlenderte. Sie ließ sich träge in einen Stuhl fallen und streckte die Beine aus.
    Ein seltsames Gesicht, mit einem vorstehenden Kinn und tief liegenden grauen Augen. Ein kluges, unglückliches Gesicht, das um ein Haar schön gewesen wäre.
    »Nun, Naomi«, sagte die Herzogin direkt. »Und was machst du hier?«
    »Ach, ich weiß nicht. Ich trete auf der Stelle.«
    »Hast du gemalt?«
    »Ein wenig.«
    »Zeig es mir!«
    Naomi grinste. Sie ließ sich von der Selbstherrlichkeit der Herzogin nicht einschüchtern; es amüsierte sie nur. Sie verschwand im Hotel und kehrte kurz darauf mit einer Mappe zurück.
    »Sie werden Ihnen nicht gefallen, Herzogin«, warnte sie sie. »Sagen Sie, was Sie denken. Ich bin nicht beleidigt.«
    Mr Sattersway zog seinen Stuhl etwas näher heran. Die Sache interessierte ihn. Ein paar Augenblicke später war er sogar noch interessierter. Die Herzogin ließen die Bilder völlig kalt.
    »Ich kann nicht einmal erkennen, wo oben und unten ist«, beklagte sie sich. »Guter Gott, Kind, einen Himmel von solcher Farbe gibt es nicht. Und auch kein Meer!«
    »Ich sehe es aber so!«, antwortete Naomi seelenruhig.
    »Hm!«, machte die Herzogin und betrachtete ein anderes. »Da bekommt man richtig Angst.«
    »Soll man

Weitere Kostenlose Bücher