Der seltsame Mr Quin
war der höchste Triumph der Kunst über die Natur, die Figur makellos, der Teint herrlich. Sie hatte viele Schönheitssalons reich gemacht, und das Resultat war wirklich sehr erstaunlich.
Lady Stranleigh zündete sich eine Zigarette an, schlug die schönen Beine übereinander, die in hauchdünnen Strümpfen steckten, und sagte leise: »Ja, ich mache mir wegen Margery wirklich Sorgen.«
»Du liebe Zeit«, rief Mr Sattersway, »was ist passiert?«
Lady Stranleigh wandte ihm ihre schönen blauen Augen zu. »Sie haben sie nie kennen gelernt, nicht wahr? Sie ist Charles’ Tochter«, fügte sie erklärend hinzu.
Falls das »Who’s who« wirklich stimmte, hätte die Eintragung über Lady Stranleigh wie folgt enden können: Ihr Hobby ist das Heiraten. Sie war durch das Leben geschwebt und hatte einige Ehemänner auf der Strecke zurückgelassen. Drei verlor sie durch Scheidung, einen durch Tod.
»Wenn sie Rudolfs Tochter wäre, könnte ich es ja verstehen«, grübelte Lady Stranleigh. »Erinnern Sie sich noch an Rudolf? Er war sehr temperamentvoll. Schon sechs Monate nach unserer Eheschließung musste ich bei Gericht umso seltsame Dinge nachsuchen – wie nennt man das doch noch? Eheliche… was weiß ich, Sie kennen das ja! Gott sei Dank ist heute alles viel einfacher. Ich erinnere mich, dass ich ihm die verrücktesten Briefe schrieb. Mein Anwalt diktierte sie mir praktisch. Ich bat ihn, zurückzukommen, und schwor, dass ich alles tun würde, was… und so weiter. Aber man konnte sich auf Rudolf nie verlassen. Er war so temperamentvoll. Er kam umgehend nachhause, was genau das falsche war, weil der Anwalt es überhaupt nicht so gemeint hatte.« Sie seufzte.
»Was ist mit Margery?«, fragte Mr Sattersway, sie taktvoll auf den Gegenstand ihres Gesprächs zurückführend.
»Ja, natürlich. Das wollte ich Ihnen gerade erzählen. Margery hört seltsame Dinge und sieht Gespenster und so etwas. Ich hätte nie gedacht, dass Margery soviel Fantasie hat. Sie ist ein liebes Kind, war es immer, nur ein wenig langweilig.«
»Unmöglich«, murmelte Mr Sattersway in der etwas unklaren Vorstellung, dies sei ein Kompliment.
»Sie ist wirklich sehr langweilig«, fuhr Lady Stranleigh fort. »Sie interessiert sich nicht fürs Tanzen oder für Cocktailpartys oder für irgendwelche andere Dinge, für die sich ein junges Mädchen interessieren sollte. Sie bleibt viel lieber zuhause und geht auf die Jagd, statt mit mir zu verreisen.«
»So, so«, sagte Mr Sattersway. »Sie wollte nicht mit Ihnen herkommen?«
»Nun, ich habe sie nicht gedrängt. Töchter können einen deprimieren, finde ich.«
Mr Sattersway versuchte, sich Lady Stranleigh zusammen mit einer ernsten Tochter vorzustellen, doch es gelang ihm nicht.
»Ich frage mich, ob Margery etwa den Verstand verliert«, fuhr Margerys Mutter fröhlich fort. »Wenn man Stimmen hört, ist das ein schlimmes Zeichen, soviel ich weiß. In Abbot’s Mede spukte es jedenfalls nicht. Das alte Gebäude brannte 1836 bis auf die Grundmauern ab, und dann bauten sie es als eine Art frühviktorianisches Schloss wieder auf, in dem einfach kein Geist hausen kann. Es ist viel zu hässlich und zu gewöhnlich dafür.«
Mr Sattersway hüstelte. Er fragte sich, warum sie ihm das alles erzählte.
»Ich dachte«, sagte Lady Stranleigh und lächelte ihn strahlend an, »dass Sie mir vielleicht helfen könnten.«
»Wieso ich?«
»Ja. Sie kehren morgen nach England zurück, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt«, gab Mr Sattersway vorsichtig zu.
»Außerdem kennen Sie alle diese Seelenforscher. Natürlich habe ich Recht! Ich weiß, dass Sie einfach alle Welt kennen.«
Mr Sattersway lächelte leicht. Es war eine seiner kleinen Schwächen, dass er gern die richtigen Leute kannte.
»Was könnte also einfacher sein?«, fuhr Lady Stranleigh fort. »Ich komme mit ihnen nicht zurecht. Sie wissen schon… ernste Männer mit Bärten und Brille. Sie langweilen mich entsetzlich, und ich zeige mich dann von meiner schlimmsten Seite.«
Mr Sattersway war ziemlich schockiert. Lady Stranleigh lächelte ihn weiter strahlend an.
»Das wäre also abgemacht!«, sagte sie fröhlich. »Sie fahren nach Abbot’s Mede und besuchen Margery und arrangieren die Sache. Ich werde Ihnen schrecklich dankbar sein. Wenn Margery tatsächlich verrückt ist, komme ich selbstverständlich nachhause. Ah, da ist ja Bimbo!«
Ihr Lächeln wurde so strahlend, dass es Mr Sattersway beinahe blendete.
Ein junger Mann in weißen Tennishosen näherte
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