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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sie würden mich begleiten«, fügte er nachdenklich hinzu. »Ist das nicht möglich?«
    »Ich fürchte nein«, antwortete Mr Quin. »Aber warten Sie mal – liegt Abbot’s Mede nicht in Wiltshire?«
    Mr Sattersway nickte.
    »Das dachte ich mir doch! Zufällig bin ich ganz in der Nähe, an einem Ort, den Sie und ich gut kennen.« Er lächelte wieder. »Erinnern Sie sich noch an das Wirtshaus Zu den Schellen und Narren?«
    »Natürlich!«, rief Mr Sattersway. »Werden Sie dort wohnen?«
    Mr Quin nickte. »Für eine Woche oder zehn Tage oder noch länger. Wenn Sie mich besuchen kommen wollen, würde ich mich freuen.«
    Und aus irgendeinem Grund fühlte sich Mr Sattersway von dieser Versicherung seltsam getröstet.
     
    »Meine liebe Miss Margery«, sagte Mr Sattersway. »Ich versichere Ihnen, es würde mir nicht im Traum einfallen, Sie auszulachen.«
    Margery zog leicht die Brauen hoch. Sie saßen in der großen gemütlichen Halle von Abbot’s Mede. Margery Gale war eine große, kräftig gebaute Frau und hatte keine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Sie war nach ihrem Vater geschlagen, der aus einem Geschlecht von robusten Landjunkern und Pferdeliebhabern stammte. Sie sah rosig und vernünftig aus, ein Bild der Gesundheit. Trotzdem, überlegte Mr Sattersway, neigten die Barrons zu einer gewissen geistigen Instabilität. Margery hatte zwar die Statur ihres Vaters, konnte aber doch mütterlicherseits irgendeinen Sparren geerbt haben.
    »Ich wünschte«, sagte Margery, »ich könnte die Casson loswerden. Ich glaube nicht an Spiritismus und mag ihn auch nicht. Sie gehört zu diesen verrückten Weibern, die einen Fimmel zu Tode reiten können. Ständig liegt sie mir in den Ohren, ich solle ein Medium herholen.« Mr Sattersway hüstelte, bewegte sich unruhig in seinem Sessel und sagte dann sachlich: »Mal sehen, ob ich alle Fakten habe. Zum ersten Mal trat dieses – hm – Phänomen vor zwei Monaten auf. Stimmt das?«
    »Ungefähr«, erwiderte Margery. »Manchmal war es nur ein Flüstern, manchmal konnte ich die Stimme deutlich hören, aber sie sagte immer dasselbe.«
    »Und das war?«
    »›Gib mir wieder, was dir nicht gehört. Gib mir wieder, was du gestohlen hast!‹ Jedes Mal habe ich sofort das Licht angemacht, aber das Zimmer war leer. Niemand war da. Schließlich wurde ich so nervös, dass ich Clayton, Mutters Zofe, bat, auf dem Sofa in meinem Schlafzimmer zu schlafen.«
    »Aber Sie hörten die Stimme trotzdem wieder?«
    »Ja, aber Clayton hörte sie nicht. Und das macht mir Angst.«
    Mr Sattersway überlegte eine Weile. »War sie an jenem Abend laut oder leise?«
    »Kaum mehr als ein Flüstern«, musste Margery zugeben. »Wenn Clayton tief geschlafen hat, dürfte sie sie kaum gehört haben. Sie findet, ich sollte zum Arzt gehen.«
    Margery lachte bitter. »Aber seit heute Nacht glaubt mir sogar Clayton«, fuhr sie fort.
    »Was ist passiert?«
    »Das will ich Ihnen gerade erzählen: Ich habe bis jetzt noch mit niemandem darüber gesprochen. Gestern war ich auf der Jagd. Es war ein langer Ritt. Ich war todmüde und schlief tief. Ich träumte – ein schrecklicher Traum –, dass ich über ein eisernes Geländer fiel und sich eine der Eisenspitzen langsam in meinen Hals bohrte. Ich erwachte. Es stimmte. Jemand hielt mir einen spitzen Gegenstand an die Kehle, und eine Stimme murmelte: ›Du hast mich bestohlen. Dafür wirst du sterben.‹
    Ich schrie«, fuhr Margery fort, »schlug um mich, doch niemand war da. Clayton hörte mich im Nebenzimmer schreien. Sie lief zu mir und spürte, wie in der Dunkelheit etwas an ihr vorbeihuschte, aber sie hat gesagt, egal, was es gewesen sei, jedenfalls kein menschliches Wesen.«
    Mr Sattersway starrte sie nachdenklich an. Das Mädchen war offensichtlich völlig durcheinander und sehr erregt. Er bemerkte auf der linken Seite neben ihrer Kehle ein kleines Pflaster. Sie fing seinen Blick auf und nickte.
    »Ja«, sagte sie, »wie Sie sehen, war es keine Einbildung.«
    Die nächste Frage stellte Mr Sattersway fast entschuldigend, weil sie so dramatisch klang. »Kennen Sie jemanden… der… einen Groll gegen Sie hegt?«
    »Natürlich nicht!«, erwiderte Margery. »Was für ein Gedanke!«
    Mr Sattersway versuchte es mit einer anderen Taktik. »Wer hat Sie in den letzten zwei Monaten besucht?«
    »Die Wochenendgäste zählen Sie doch wohl nicht mit? Marcia Keane war die ganze Zeit über hier. Sie ist meine beste Freundin und genauso verrückt auf Pferde wie ich. Mein Vetter Roley Vavasour

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