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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sofort erkannte, denn Rosina Nunn hatte einen exzentrischen Geschmack. Fünfundzwanzig Jahre lang war sie eine Blondine gewesen. Nach einer Tournee durch die Vereinigten Staaten erschien sie in England mit rabenschwarzem Haar und spielte nur noch Tragödien. Die Rokoko-Dame mit dem weißen Haar war ihre neueste Laune.
    »Ach, übrigens, dies ist Mr Judd, Miss Nunns Gatte«, sagte Vyse unverbindlich und deutete auf den Mann mit der Glatze.
    Rosina Nunn hatte mehrere Ehemänner gehabt, erinnerte sich Mr Sattersway. Offenbar war Mr Judd der letzte.
    Mr Judd wickelte eifrig Päckchen aus, die er aus einem Korb neben sich nahm. »Möchtest du noch Pastete, Liebling?«, fragte er seine Frau.
    »Das letzte Brötchen war nicht so dick bestächen, wie du es magst.«
    Rosina Nunn gab ihm das Brötchen und murmelte nur: »Henry fallen die herrlichsten Gerichte ein. Ein Essen zusammenzustellen überlasse ich immer ihm.«
    »Man muss die Bestie füttern«, sagte Mr Judd lachend und tätschelte seiner Frau die Schulter.
    »Er behandelt sie, als wäre sie ein Hund«, flüsterte Mr Vyse melancholisch an Mr Sattersways Ohr. »Schneidet ihr das Essen in Bissen. Komische Geschöpfe, die Frauen.«
    Mr Sattersway und Mr Quin begannen, das Picknick auszupacken: hart gekochte Eier, gekochter Schinken und Gruyère-Käse wurden in der Runde verteilt. Die Herzogin und Miss Nunn schienen in ein vertrauliches Gespräch vertieft zu sein, wie die Satzfetzen bewiesen, die zu den andern Gästen herüberdrangen.
    »Das Brot darf nur leicht getoastet sein«, sagte Miss Nunn mit ihrer schönen tiefen Stimme. »Verstehen Sie? Dann eine sehr dünne… Schicht… Marmelade… Zusammenrollen… in den Ofen… eine Minute, nicht mehr… köstlich…«
    »Diese Frau lebt nur fürs Essen«, murmelte Mr Vyse. »Unglaublich! Sie denkt an nichts anderes. Ich erinnere mich da an eine Inszenierung… wissen Sie, wo sie sagt: ›Und die herrliche ruhige Zeit, die ich noch verbringen werde…‹ Sie brachte es einfach nicht so, wie ich es haben wollte. Schließlich riet ich ihr, dabei an Pfefferminzlikör zu denken. Den mag sie sehr. Sofort war die Wirkung da – ein sehnsüchtiger Ausdruck, der einem bis ans Herz ging.«
    Mr Sattersway schwieg. Er erinnerte sich.
    Mr Tomlinson, der ihnen gegenübersaß, räusperte sich.
    »Sie produzieren Stücke, wie ich höre? Mir gefällt eines ganz besonders: ›Jim, der Schreiber.‹ Ganz großartig!«
    »Um Gottes willen«, sagte Mr Vyse, und ein Schauder durchrieselte ihn.
    »Eine winzige Zehe Knoblauch«, sagte Miss Nunn zur Herzogin. »Sagen Sie es Ihrer Köchin. Es wirkt Wunder…«
    Sie seufzte glücklich und wandte sich an ihren Mann: »Henry«, beklagte sie sich. »Ich habe nicht ein bisschen Kaviar gesehen.«
    »Dabei sitzt du beinahe drauf!«, antwortete Mr Judd fröhlich. »Du hast ihn hinter dich auf den Stuhl gestellt.«
    Rosina Nunn stellte ihn eilig auf den Tisch und lächelte glücklich in die Runde.
    »Henry ist einfach großartig. Ich bin so schrecklich zerstreut und weiß nie, wo ich was hingelegt habe.«
    »Wie damals, als du deine Perlen in den Waschbeutel packtest«, sagte Henry scherzhaft. »Und dann hast du ihn im Hotel vergessen. Mein Gott, habe ich da telefoniert und Telegramme geschickt.«
    »Sie waren versichert«, meinte Miss Nunn verträumt. »Im Gegensatz zu meinem Opal.« Ein feiner, herzbrechender Ausdruck von Leid huschte über ihr Gesicht.
    Wenn sich Mr Sattersway in der Gesellschaft von Mr Quin befand, hatte er schon öfter das Gefühl gehabt, als spiele er in einem Theaterstück mit. Auch jetzt hatte er diesen Eindruck. Beinahe glaubte er zu träumen. Jeder spielte mit. Die Worte »… meinem Opal…« waren sein Stichwort. Er beugte sich vor.
    »Was war mit Ihrem Opal, Miss Nunn?«
    »Reichst du mir mal die Butter, Henry? Danke. Ach ja, mein Opal. Er wurde mir gestohlen, wissen Sie. Ich bekam ihn nie wieder.«
    »Erzählen Sie uns doch die Geschichte!«, bat Mr Sattersway.
    »Nun – ich bin im Oktober geboren, und der Opal ist mein Glücksstein. Deshalb wollte ich einen ganz besonders schönen haben und habe lange darauf gewartet. Angeblich war er einer der makellosesten, die existierten. Nicht sehr groß – etwa wie ein Zweishillingstück, aber welche Farbe, welches Feuer!«
    Sie seufzte. Mr Sattersway bemerkte, dass die Herzogin unruhig wurde, doch jetzt war Miss Nunn nicht mehr zu halten. Sie erzählte weiter, und ihre schöne Stimme ließ die Geschichte wie eine alte Legende

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