Der seltsame Mr Quin
meldete sich der Indianer wieder. »Ich habe eine Botschaft für Sie alle. Das Leben hier ist heiter und schön. Helfen Sie denen, die noch nicht herübergekommen sind.«
Wieder herrschte Schweigen. Dann sagte die Frauenstimme: »Hier ist Beatrice.«
»Beatrice und weiter?«
»Beatrice Barron.«
Mr Sattersway beugte sich vor. Er war sehr erregt. »Beatrice Barron, die beim Untergang der Uralia ertrank?«
»Ja, das ist richtig. Ich erinnere mich an die Uralia. Ich habe eine Nachricht für dieses Haus: Gib mir wieder, was dir nicht gehört.«
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Margery hilflos. »Ich… oh, bist du wirklich Tante Beatrice?«
»Ja, ich bin deine Tante.«
»Natürlich ist sie es«, warf Mrs Casson vorwurfsvoll ein. »Warum sind Sie so misstrauisch? Das mögen Geister nicht.«
Plötzlich fiel Mr Sattersway ein einfacher Ausweg ein, wie er den Geist auf die Probe stellen konnte: Mit leicht zitternder Stimme fragte er: »Erinnern Sie sich noch an Mr Bottacetti?«
Ein helles Lachen war die Antwort. »Der gute alte Bottacetti. Er ist gekentert.«
Mr Sattersway war verblüfft. Der Geist hatte die Probe bestanden. Es war ein Ereignis, das über vierzig Jahre zurücklag. Damals hatten die Barron-Mädchen und er im selben Seebad Ferien gemacht. Ein junger italienischer Bekannter war mit dem Boot hinausgefahren und gekentert, und Beatrice Barron hatte ihn deswegen verspottet. Mr Sattersway schien es unmöglich, dass einer der Anwesenden die Geschichte kannte.
Das Medium bewegte sich unruhig und seufzte.
»Sie kommt zu sich«, sagte Mrs Casson. »Mehr werden wir heute kaum erfahren.«
Die Vorhänge wurden aufgezogen, und das Tageslicht strömte in den Raum voller Menschen, von denen mindestens zwei große Angst hatten.
Mr Sattersway erkannte an Margerys bleichem Gesicht, dass sie sehr erschrocken war. Als sie Mrs Casson und das Medium losgeworden waren, zog er seine Gastgeberin in ein vertrauliches Gespräch.
»Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, Miss Margery. Wenn Sie und Ihre Mutter sterben, wer erbt den Titel und das Vermögen?«
»Roley Vavasour, glaube ich. Seine Mutter war Mutters Kusine.«
Mr Sattersway nickte. »Er ist diesen Winter häufig hier gewesen«, bemerkte er freundlich. »Bitte, entschuldigen Sie, wenn ich Sie frage, ob er… ob er Sie gern hat?«
»Vor drei Wochen hat er um meine Hand angehalten«, antwortete Margery. »Ich wollte nicht.«
»Darf ich Sie fragen, ob Sie mit jemand anders verlobt sind?«
Ein rosiger Schimmer flog über ihr Gesicht.
»Ja«, sagte sie energisch. »Ich werde Noel Barton heiraten. Meine Mutter hat mich ausgelacht. Sie findet es idiotisch. Sie findet es lächerlich, sich mit einem Hilfsgeistlichen zu verloben. Ich möchte wissen, warum? Es gibt solche Geistliche und solche. Sie sollten Noel mal zu Pferd sehen!«
»Sicher, sicher«, sagte Sattersway. »Ganz bestimmt.«
Ein Diener erschien mit einem silbernen Tablett, auf dem ein Telegramm lag. Margery riss es auf. »Meine Mutter kommt morgen«, sagte sie. »Verdammt! Ich wünschte, sie würde wegbleiben!«
Mr Sattersway schwieg zu diesem töchterlichen Gefühlsausbruch. Vielleicht hielt er ihn sogar für gerechtfertigt. »In diesem Fall«, murmelte er, »fahre ich wohl nach London zurück.«
Mr Sattersway war nicht zufrieden mit sich. Er fand, dass er dieses spezielle Problem nicht richtig gelöst hatte. Es stimmte zwar, dass ihn Lady Stranleighs Rückkehr aller Verantwortung enthob, doch er war überzeugt, dass er von Abbot’s Mede noch nicht das letzte Wort gehört hatte.
Die Wendung, die die Geschichte dann nahm, war derart ernster Natur, dass sie Mr Sattersway völlig unvorbereitet traf. Er erfuhr es aus der Morgenzeitung: Baronin stirbt in der Badewanne, stand im Daily Meg a phone. Die andern Zeitungen hielten sich nicht zurück und formulierten es vorsichtiger, doch die Tatsache blieb, dass man Lady Stranleigh tot in ihrer Wanne aufgefunden hatte und sie ertrunken war. Vermutlich hatte sie das Bewusstsein verloren und war mit dem Kopf unter Wasser geglitten.
Mr Sattersway überzeugte diese Erklärung nicht. Er rief nach seinem Diener, machte weniger sorgfältig als sonst Toilette und saß zehn Minuten später in seinem großen Rolls-Royce, der ihn so schnell wie möglich aus London hinaustrug.
Doch seltsamerweise fuhr er nicht nach Abbot’s M e de, sondern zu einem kleinen Wirtshaus, etwa fünfzehn Meilen davon entfernt, das den ziemlich ungewöhnlichen Namen Zu den Schellen
Weitere Kostenlose Bücher