Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
hat dieses Jahr seine Preise schrecklich erhöht, und ich kann nicht mehr an die R i viera fahren. Vielleicht versuche ich es nächstes Jahr einmal mit Ihrer Insel, wenn Sie zufrieden w a ren, o b wohl ich die fünftägige Schiffsfahrt hasse. Trotzdem, wenn Sie etwas empfehlen, kann man sicher sein, dass es dort sehr a n genehm ist, vielleicht sogar zu angenehm. Eines Tages werden Sie wie jene Leute, die nur an sich und ihre Bequemlichkeit denken. Allerdings dürfte Sie ein Umstand davor bewahren, Sa t tersway, und das ist Ihr ungewöhnliches Interesse am Leben anderer…«
     
    Während Mr Sattersway den Brief faltete, sah er im Geist die Herzogin vor sich, mit all ihrer Gemeinheit, ihrer plötzlichen, gefährlichen Freundlichkeit, ihrer scharfen Zunge, ihrer unerschöpflichen Energie.
    Energie! Ja, die brauchte jeder. Er holte noch einen Brief aus der Tasche, mit einer deutschen Marke auf dem Umschlag. Er stammte von einer jungen Sängerin, für die er sich interessierte. Es war ein herzlicher Dankesbrief.
     
    »Wie kann ich Ihnen jemals danken, mein lieber Mr Sattersway? Unglaublich, dass ich in ein paar Tagen die Isolde singen we r de…«
     
    Ein Jammer, dass sie ihr Debüt als Isolde gab! Ein charmantes, hart arbeitendes Kind, diese Olga, mit einer schönen Stimme, doch ohne jedes Temperament. Mr Sattersway summte leise: »Ich befehle es. Ich, Isolde!« Nein, das Kind hatte nicht den rechten Geist für die Rolle, das Temperament, den unbezähmbaren Willen, alles das, was sich in diesem »Ich, Isolde!« ausdrückte.
    Nun, jedenfalls hatte er für jemanden etwas getan. Diese Insel deprimierte ihn. Warum, ach, warum hatte er nur die Riviera verlassen, die er so gut kannte und wo man ihn so gut kannte? Hier interessierte sich kein Mensch für ihn. Keiner wusste offenbar, dass er der Mr Sattersway war, der Freund von Herzoginnen und Gräfinnen, von Sängern und Schriftstellern. Kein Mensch auf dieser Insel war gesellschaftlich oder künstlerisch von Bedeutung. Die meisten Leute lebten seit sieben, vierzehn oder einundzwanzig Jahren hier und schätzten sich und andere danach ein, wie lange sie schon hier wohnten.
    Mit einem tiefen Seufzer machte sich Mr Sattersway zu dem kleinen Hafen auf, der unterhalb des Hotels lag. Die Straße führte an prachtvollen Bougainvillea-Klettersträuchern vorbei, eine Masse von prunkvollem Scharlachrot, bei dessen Anblick er sich noch älter und grauer vorkam.
    »Ich werde wirklich alt«, murmelte er. »Alt und müde.«
    Er war froh, als er die mit Bougainvillea bewachsenen Mauern hinter sich gelassen hatte und die weiße Straße mit dem blauen Meer am Ende hinunterging. Ein Hund von nicht feststellbarer Rasse stand mitten auf dem Fahrweg in der Sonne, gähnte und streckte sich.
    Wie aus heiterem Himmel fegte plötzlich ein altes Auto um die Ecke, traf den Hund mit voller Wucht und fuhr weiter, ohne anzuhalten. Der Hund stand ein paar Augenblicke bewegungslos da, starrte Mr Sattersway mit vorwurfsvollen Augen an und sackte dann zusammen.
    Mr Sattersway trat näher und beugte sich über ihn. Der Hund war tot. Über die Grausamkeit des Lebens nachsinnend ging Mr Sattersway weiter. Was für einen seltsamen benommenen Blick der Hund in den Augen gehabt hatte. Als wollte er sagen: »Ach, du schöne Welt, an die ich geglaubt habe. Warum hast du mir das angetan?«
    Mr Sattersway spazierte weiter, an den Palmen und verstreut daliegenden weißen Häusern vorbei, am schwarzen Lavastrand, gegen den die Brandung andonnerte und wo vor langer Zeit ein bekannter englischer Schwimmer ins Meer hinausgetragen worden und ertrunken war, vorbei an den Tümpeln zwischen den Felsen, in denen Kinder und alte Damen badeten und es schwimmen nannten, und die steile Straße entlang, die zur Klippe hinaufführte. Denn dort oben befand sich ein Haus, das passenderweise La Paz hieß. Ein weißes Haus mit verblassten grünen Fensterläden, die immer fest geschlossen waren, einem verwilderten schönen Garten und einem Pfad zwischen Zypressen, der zu einem Plateau am Ende des Felsens führte. Von dort hatte man einen weiten Blick – tief, tief hinab in das dunkelblaue Wasser.
    Zu diesem Aussichtspunkt wollte Mr Sattersway. Er hatte eine große Vorliebe für den Garten entwickelt. Das Haus selbst hatte er noch nie betreten. Es schien unbewohnt zu sein. Manuel, der spanische Gärtner, pflegte den Besuchern mit einer schwungvollen Geste guten Morgen zu wünschen und überreichte den Damen einen kleinen Strauss und den

Weitere Kostenlose Bücher