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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eine neue Saite aufgezogen – aber die falsche. Nicht ganz so schlau, wie Sie meinten, Keeley.«
    Keeley blieb stumm.
    »Warum haben Sie es getan?«, fragte Mr Sattersway. »Warum, in Gottes Namen?«
    Mr Keeley kicherte, ein seltsames kleines Kichern; Mr Sattersway musste gegen eine Welle der Übelkeit ankämpfen.
    »Es war so furchtbar einfach«, sagte er. »Darum! Und außerdem… nie hat jemand meine Anwesenheit bemerkt! Nie hat jemand davon Notiz genommen, was ich tat! Ich wollte… ich wollte auch einmal zuletzt lachen.«
    Wieder kicherte er und sah Mr Sattersway mit wirrem Blick an. Mr Sattersway war erleichtert, dass Inspektor Winkfield in diesem Augenblick eintraf.
     
    Vierundzwanzig Stunden später erwachte Mr Sattersway in einem Eisenbahnabteil des Zuges nach London aus leichtem Schlummer und erblickte einen großen dunkelhaarigen Mann auf dem gegenüberliegenden Sitz. Er war nicht besonders überrascht.
    »Mein lieber Mr Quin!«
    »Ja, da bin ich.«
    »Ich kann Ihnen kaum ins Gesicht sehen«, sagte Mr Sattersway beschämt. »Ich habe versagt.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Ich habe sie nicht gerettet.«
    »Aber Sie haben die Wahrheit entdeckt.«
    »Ja, das stimmt. Einer der jungen Männer wäre vielleicht verhaftet und sogar schuldiggesprochen worden. So habe ich wenigstens einem Menschen das Leben gerettet. Aber die Frau, dieses eigenartige, zauberhafte Geschöpf…« Mr Sattersway konnte nicht weitersprechen.
    Mr Quin musterte ihn.
    »Ist der Tod das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann?«
    »Ich… vielleicht… nein!«
    Mr Sattersway dachte zurück an Madge, an Roger Graham, an Mabelle, wie sie ihm im Mondlicht erschienen war, an den Ausdruck überirdischen Glücks auf ihrem Gesicht.
    »Nein«, gab er zu. »Nein, vielleicht ist der Tod nicht das Schlimmste.«
    Er sah ihr Kleid noch vor sich, den blauen Chiffon, der ihm wie das Gefieder eines Vogels erschienen war; eines Vogels mit einem gebrochenen Flügel.
    Als er wieder aufblickte, war Mr Quin verschwunden. Aber er hatte etwas liegen lassen. Auf dem Sitz gegenüber lag eine roh behauene Figur aus mattblauem Stein. Ein Vogel. Als Kunstwerk hatte er vermutlich keinen großen Wert. Es war etwas anderes:
    Eine unerklärliche Verzauberung ging von ihm aus.
    Wenigstens fand Mr Sattersway das – und Mr Sattersway war ein Kenner.

Der Mann im Meer
     
    M r Sattersway fühlte sich alt. Eigentlich hätte das niemanden zu erstaunen brauchen, denn nach Meinung vieler Leute war er auch alt. Junge Leute sagten zum Beispiel zu ihren Eltern: »Der alte Sattersway? Ach, der muss doch bald hundert sein – mindestens über achtzig.« Und selbst die reizendsten jungen Frauen erklärten kühl: »Ach, der Sattersway! Ja, er ist schon ziemlich alt. Sicherlich sechzig.« Was fast noch schlimmer war, denn er war neunundsechzig. Er selbst fand sich dagegen gar nicht alt. Neunundsechzig war ein interessantes Alter, das Alter der unbegrenzten Möglichkeiten, wo sich endlich die Erfahrungen eines ganzen Lebens bezahlt machten. Aber sich alt zu fühlen, das war etwas anderes, das war ein Zustand der Erschöpfung, der Entmutigung, wo man sich deprimierende Fragen zu stellen begann. Wer war er eigentlich? Ein kleiner, vertrockneter alter Mann, ohne Frau und Kinder, keine Angehörigen, nur mit einer wertvollen Kunstsammlung, die ihm im Augenblick seltsamerweise höchst unbefriedigend erschien. Es gab niemanden, den es interessierte, ob er lebte oder tot war…
    An diesem Punkt seiner Grübeleien rief sich Mr Sattersway zur Ordnung. Solche Überlegungen waren morbide und brachten nichts ein. Wenn er eine Frau gehabt hätte, würde sie ihn vielleicht gehasst haben – oder er sie –, und Kinder bedeuteten Kummer und Sorgen; er hätte ihnen Zeit opfern und sich um sie kümmern müssen, was ihm äußerst unangenehm gewesen wäre.
    Sicher und bequem zu leben, sagte sich Mr Sattersway energisch, das war das wichtigste.
    Da fiel ihm der Brief ein, den er am Morgen erhalten hatte. Er nahm ihn aus der Tasche und las ihn voll Vergnügen noch einmal. Er stammte von einer Herzogin, und das allein schon freute Mr Sattersway. Zugegeben, der Brief begann mit der Bitte um eine Spende für wohltätige Zwecke. Das war auch der Grund, warum ihm die Herzogin überhaupt geschrieben hatte. Doch er war so charmant abgefasst, dass Mr Sattersway über diese Tatsache hinwegsah. So hieß es da unter anderem:
     
    »Sie haben also die Riviera verlassen. Wie ist denn die Insel? Bi l lig? Cannotti

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