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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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war? Nein, offensichtlich nicht. Gestern Abend hat er es getan. Sie stritten sich, und er…«
    »Das ist eine Lüge!«
    Sie waren so in ihr Wortgefecht vertieft, dass sie Roger Grahams Schritte überhörten und ihn erst bemerkten, als er bei ihnen stand.
    »Lass nur, Mutter. Kein Grund zur Sorge. Kommen Sie mit in mein Zimmer, Mr Sattersway.«
    Mrs Graham wandte sich ab und versuchte nicht, ihnen zu folgen.
    Als Roger Graham die Tür seines Zimmers geschlossen hatte, sagte er: »Glauben Sie wirklich, dass ich Mabelle ermordet habe? Meinen Sie, ich hätte sie hier erwürgt und dann später, als alle schliefen, in ihr Zimmer geschafft und an der Tür aufgehängt?«
    Mr Sattersway starrte ihn an und sagte überraschend: »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Gott sei Dank! Wie hätte ich sie denn umbringen können? Ich liebte sie doch! Jedenfalls glaube ich, dass ich sie geliebt habe. Ich weiß es selbst nicht genau. Ich weiß nur, dass ich mein Gefühl nicht erklären kann. Ich habe Madge sehr gern, habe sie schon immer gern gehabt. Sie ist ein feiner Kerl, und wir passen so gut zusammen! Mit Mabelle war es anders. Schwer, es auszudrücken. Es war eine Art… Betörung. Ich glaube, ich hatte Angst vor ihr.«
    Mr Sattersway nickte.
    »Es war Wahnsinn, ein Rausch! Natürlich konnte nichts daraus werden. So etwas… hält nicht lange. Jetzt weiß ich, was es heißt, verhext zu sein.«
    »Ja, das verstehe ich«, stimmte Mr Sattersway nachdenklich zu.
    »Ich wollte… mich von ihr lösen, wollte es ihr sagen – gestern Abend.«
    »Aber Sie haben es dann doch nicht getan?«
    »Nein«, erwiderte Graham langsam. »Ich… ich schwöre Ihnen, Mr Sattersway: Nachdem ich ihr unten Gute Nacht gewünscht hatte, habe ich sie nicht wiedergesehen.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Mr Sattersway und erhob sich.
    Roger Graham hatte Mabelle Annesley nicht ermordet. Er mochte vor ihr geflohen sein, aber er hätte sie nicht töten können. Angst hatte er gehabt; Angst vor ihrem wilden, verwirrenden Zauber. Er war aus seiner Betörung erwacht und hatte sich von ihr gelöst. Er hatte sich auf einen sicheren, vernünftigen, einen gangbaren Weg gerettet und dem Traum entsagt, der drohte, ihn ins Ungewisse zu fuhren.
    Mr Sattersway ließ Graham in seinem Zimmer zurück und ging nach unten. Graham war also doch nur ein ganz normaler junger Mann und interessierte ihn deshalb nicht sonderlich. Mr Sattersway ließ sich nur vom Außergewöhnlichen der menschlichen Natur fesseln.
    Das Wohnzimmer war leer. Die Ukulele lag auf einem Hocker am Fenster. Er nahm sie auf und zupfte selbstvergessen die Saiten. Er war mit dem Instrument nicht vertraut, hörte aber doch, dass es sehr verstimmt war, und drehte versuchsweise an einem Wirbel.
    Doris trat ein und musterte ihn. »Das ist Mabelles Ukulele«, sagte sie vorwurfsvoll. »Die arme Mabelle!«
    Doris’ Vorwurf reizte ihn. »Stimmen Sie sie für mich«, sagte er. »Wenn Sie etwas davon verstehen!«
    »Natürlich«, entgegnete sie, verletzt beim Gedanken, jemand könnte ihre Beschlagenheit auf irgendeinem Gebiet anzweifeln.
    Sie nahm ihm das Instrument ab, zupfte an einer Saite, drehte forsch an dem Wirbel, und die Saite riss.
    »Nein, so was! Ach – nicht möglich! Das ist die falsche Saite, eine A-Saite, eine Nummer zu stark. Die musste natürlich beim Spannen kaputtgehen. So eine Dummheit!«
    »Ja«, sagte Mr Sattersway. »So eine Dummheit. Auch Schlaue machen manchmal Dummheiten.«
    Das klang so sonderbar, dass Doris ihn verblüfft anstarrte. Er nahm ihr die Ukulele aus der Hand; zog die gesprungene Saite und verließ damit das Zimmer. Er fand David Keeley in der Bibliothek.
    »Da«, sagte er und hielt ihm die Saite hin.
    »Was ist das?«, fragte Keeley.
    »Die gesprungene Saite einer Ukulele.« Er holte tief Atem und fuhr fort: »Was haben Sie mit der anderen gemacht?«
    »Mit welcher anderen?«
    »Mit der Saite, mit der Sie sie erwürgt haben. Sie haben es schlau angefangen, nicht wahr? Es geschah sehr schnell – als wir anderen alle draußen auf dem Gang lachten und redeten. Mabelle ging zurück ins Wohnzimmer, um ihr Instrument zu holen. Sie hatten die Saite abgezogen, als Sie kurz zuvor mit der Ukulele herumhantierten, und als sie eintrat, haben Sie sie ihr um den Hals gelegt und sie erwürgt. Danach sind Sie zu uns herausgekommen und haben die Wohnzimmertür abgeschlossen. Später, mitten in der Nacht, haben Sie die Tote fortgeschafft und sie an der Tür ihres Zimmers aufgehängt. Und dann haben Sie

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