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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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die aggressiven Kinderviren in der Arbeit gaben seinem Immunsystem auch nicht immer die nötige Zeit, sich bis zum nächsten heimtückischen Anschlag wieder richtig aufzubauen. Durch diese Aussicht auf sein baldiges Leiden etwas abgelenkt, vernachlässigte er die Konzentration auf Problem Nummer eins: Susanne, oder wie auch immer sie wirklich hieß. Diese griff in ihre Tasche und machte dabei einen kleinen Schritt rückwärts. Wolfgang bemerkte es nicht, weil er gerade seinen Hals massierte. Sie machte noch einen. Wieder keine Reaktion. Diesmal tastete er vorsichtig die Lymphknoten ab. Noch einen. Wolfgang überlegte, ob er zufällig ein Aspirin dabei hatte, das könnte zur Vorbeugung vielleicht helfen. Jetzt drehte Susanne sich fix um, zog den Schlüssel hervor, drückte auf die Fernbedienung, entriegelte das Schloss und rannte gleichzeitig zu ihrem Auto, um einsteigen und endlich wegfahren zu können. Doch Wolfgang – hochgeschreckt durch das kurze Piepen und Blinken des Wagens – war schneller, holte sie ein und stemmte gleich seine Hand gegen die Autotür, damit sie diese nicht aufziehen konnte.
    »Du bleibst jetzt aber gefälligst da, bis meine Cousine kommt, hörst du, du Luder!«, knurrte er und fühlte, dass mit dem Kratzen im Hals auch seine Stimme schon etwas angeschlagen klang.
    »Ach, was machste denn, wenn ich nicht will?«
    Zwar war es nur ein Flüstern, aber es klang alarmierender als ihr früheres Gekeife und Geschrei. Er dachte nicht daran, zu antworten, packte sie kurzerhand und sehr grob an den Handgelenken und zerrte sie zu sich herum. Das Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Er konnte ihre Augen funkeln sehen. Sie sahen aus wie harte, kalte Kristalle. Ihn schauderte. Sie war so unheimlich. Wo blieb verdammt noch mal Claudia?!

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    »Wollen Sie mir denn jetzt nicht Ihre Version erzählen?«
    Maus überließ seine Leute sich selbst, hatte Wichtigeres zu tun, brannte darauf, alle Puzzleteile zusammenzufügen und hatte sich daher mit Sandra und Erika etwas abseits gestellt.
    »Sie kann jetzt nicht!«, entschied Erika kategorisch. »Sie is nur noch ein Wrack, das sehen Sie doch selber!«
    »Chef?«
    Endlich hatte sich Krautschneider ein Herz gefasst. Er musste den Kommissar informieren, ihn endlich einweihen, ihm endlich alles sagen, um dann entweder eine Absolution oder eine wohlverdiente Abmahnung zu bekommen. So begann er zu berichten und als er geendet hatte, wagte er einen raschen Blick in Maus Gesicht. Mit Erleichterung sah er dort keine Wut, sondern nur Nachdenklichkeit.
    »Einfacher Trick, Krautschneider«, half Maus ihm dann endlich auf die Sprünge. »Die Frau hat sich selbst an die Säule gefesselt; den Schlüssel also vorher in die Fensternische gelegt, sich das Klebeband auf den Mund geklebt, mit den Handschellen festgemacht und dann auf Sie gewartet. Sie wusste ja, dass Sie ihr auf den Fersen waren.«
    »Ja, so kann’s gewesen sein!«, rief Krautschneider überrascht. »Aber dann war die ja verdammt schnell. Ich mein …«
    »Meine Schwägerin ist ehemalige Landesmeisterin im Kurzstreckenlauf«, mischte sich Sandra Blum unerwartet in das Gespräch ein.

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    Immer noch wie gelähmt von dem bezwingend eisigen Blick seiner ehemaligen Geliebten, war Wolfgang eindeutig zu langsam und vor allem nicht darauf gefasst, dass sie plötzlich blitzschnell ihr rechtes Knie hochriss und es ihm dann in den Unterleib rammte. So an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, waren die Sorgen wegen einer aufkommenden Erkältung schlagartig vergessen. Entsetzt darüber, dass sie ausgerechnet dahin getreten hatte, wo seine Seele, sein bestes Stück, seine Aussteuer, der Neid sämtlicher Geschlechtsgenossen, der Glückspender unzähliger, hochbefriedigter Frauen, sein Augapfel und sein bester Freund saß, schnappte er nach Luft und spürte nur noch den unerträglichsten Schmerz seines Lebens.

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    »Schwägerin?«, entgegnete Maus verblüfft. Es gehörte viel dazu, ihn aus der Fassung zu bringen, aber Heidis Mutter war es gelungen.
    »Na ja, fast. Ich war ja nie mit ihrem Bruder – dem Vater von meiner kleinen Heidi – verheiratet.«
    »Donnerwetter!«, Maus konnte es anscheinend immer noch nicht so ganz glauben. »Das würde natürlich meine größte Frage beantworten, warum Frau Klöter ausgerechnet mit Ihnen und ihrer Tochter diese Erpressergeschichte geplant und durchgeführt hat.«
    »Ja«, sagte Sandra Blum traurig und es stand ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie den Tag, an dem Heidis Tante auf der

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