Der Semmelkoenig
Stehvermögen. Du hast mir gar nix zu sagen. Du wirst mich nicht aufhalten! Deinesgleichen kann mir gestohlen bleiben. Über euch alle kann ich nur lachen!«
Tatsächlich lachte sie auch sofort. Schaurig klang es, dass selbst der kleine Kauz, der es sich mittlerweile auf einem der Silos bequem gemacht hatte, erschrocken aufflog.
183
»Ja, Hammer, genau den meinte ich«, Maus ließ sich nicht so gerne unterbrechen. »Ich bin dank meiner Leidenschaft für Anagramme darauf gekommen. Mir war die ganze Zeit schon so, als ob bei dem Namen Klöter bei mir was klingeln würde. Sie hat hier vermutlich versucht, nach dem Tode ihres Vaters ein neues Leben mithilfe von einem alten Geschäftspartner, dem Möller, zu beginnen.«
»Und das würd ich einen guten Neuanfang nennen, denn der hat sich so intensiv um sie gekümmert, dass sie davon schwanger geworden is«, kommentierte Claudia Hubschmied trocken.
»Nein! Nein, nein, nein!«, schimpfte Hammer aufgebracht und erntete zunächst einmal verständnislose Blicke.
Das störte ihn aber nicht sonderlich, denn er starrte mit anklagend vorwurfsvollem Blick Claudia an, die gar nicht wusste, was er von ihr wollte. Maus, der schnell zu einem Ende kommen wollte, intervenierte: »Hammer, teilen Sie bitte kurz und knapp mit, was Sie gerade so erregt, damit wir uns wichtigeren Dingen zuwenden können!«
»Mich so erregt? Wichtigere Dinge? Herr Kommissar, und das ausgerechnet von Ihnen!«
So kannte man ihn gar nicht. Eine unbehagliche Stille senkte sich über die Gesellschaft. Schnabelhuber überlegte, ob es eine gute Idee wäre, Doktor Frank bei Hannes Gymnastikübungen zur Hand zu gehen, nur damit er nicht mit ansehen musste, wie sein Kollege gleich die Nerven verlor. Aber bevor er zu einer Entscheidung kommen konnte, hatte Hammer schon mit leicht zitternden Fingern einige stark zerknitterte Seiten Papier aus der Innentasche seiner Jacke gezogen und Maus stumm hingehalten.
»Was ist das?«, fragte Maus, denn er wollte es von Hammer hören und jetzt nicht noch mehr kostbare Zeit damit verschwenden, die schlammverschmierten Unterlagen ohne seine Brille zu entziffern.
»Das, Herr Kommissar, ist die Akte, die ich Ihnen schon den ganzen Abend zeigen wollte. Es ist …!«, gekonnt legte er eine Kunstpause ein, denn schließlich war es ihm nicht jeden Tag vergönnt, eine so große Zuhörerschaft zu haben. Bedächtig ließ er seinen Blick über die Gesichter wandern. Freute sich, dass die Bauarbeiter sehr interessiert schienen, Claudia immer noch etwas verblüfft war, Schnabelhuber ängstlich und Kommissar Maus erwartungsvoll zurückhaltend blickten. Krautschneiders blassgrüne Gesichtsfarbe irritierte zwar etwas, aber auch er hörte offenbar zu.
»Nun denn«, räusperte sich Hammer. »In meinen Händen halte ich eine Rechnung, die sich gewaschen hat. Eine Rechnung für eine Entbindung, eine Rechnung für einen Kaiserschnitt – Sectio würde unser werter Freund Doktor Frank wohl sagen …«
»Och, ich sag auch manchmal Kaiserschnitt, je nachdem«, meldete sich Frank aus dem Hintergrund, während er Hannes sanft auf ein paar Zementsäcke niederdrückte, damit dieser eine wohlverdiente Pause einlegen konnte.
»Jetzt kommen Sie endlich zum Punkt, Hammer!«, knurrte Maus sichtlich genervt. »Wer hat die Rechnung für wen beglichen?«
»Na, einen Riesenbatzen für Entbindung und einwöchige Unterbringung im Einzelzimmer mit allem Pipapo hat der Möller bezahlt und zwar für eine Entbindung bei einer Frau Klöter!«, und da ihm ja Claudia Hubschmied diese delikate Enthüllung verdorben hatte und die Überraschung nicht mehr ganz so groß war, fügte er triumphierend die Papiere hochhaltend hinzu. »Und ich kann’s hiermit auch beweisen!«
»Ich auch!«, ließ sich Claudia provozieren. »Ich hab den Vaterschaftstest gesehen …«
Jetzt entbrannte eine heftige Diskussion, an der sich alle außer Krautschneider, der immer noch mit einem grüblerischen Gesichtsausdruck vor sich hinstarrte, und Maus beteiligten.
184
Es war wieder still geworden. Wolfgang spürte ein Kratzen im Hals. Na prima, da stand er einer Wahnsinnigen gegenüber und musste dabei feststellen, dass sich – dank der langen Wartezeit hier draußen – jetzt auch noch eine Erkältung ankündigte. Er kannte sich und seinen Körper zur Genüge, um zu wissen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis seine Lymphknoten anschwollen, seine Nase verstopfte und Kopfschmerzen dazukamen. Er war eben ein bisschen empfindlich und
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